12. März 2016

Musealisierte (Bauern-)Häuser, Bausubstanz, Ideologien, Gründungspersönlichkeiten

Freitag: Tag der Anreise und erste Exkursion:
Die Tagung startet am Freitag Nachmittag in dem übersichtlichen kleinen Bauernhausmuseum in Bielefeld mit der Besichtigung der hier versammelten ländlichen Gebäude.

Vor dem Haus Möllering, ein Dreiständerbau von 1590.
Die hohe Wand des Dreiständerbaus.
Die mit gekehlten Knaggen vorkragende Giebelschwelle ziert ein Fächerrosettenfries.


Innengerüstdetail der linken Ständerreihe – die Balken enden an der hohen Außenwand
Die rechte Ständerreihe mit der Kübbung.

Modell des 1995 abgebrannten Haupthauses des Meierhofes zu Ummeln.
Ofentür des vom Flett aus beheizten Bileggers in der Stube.
Alkoven mit der "hohen Kante"
Ehemaliges Tagelöhnerhaus aus dem Jahre 1568 aus Vlotho
dahinter die Bokemühle.
Alle Zähne greifen ineinander – in der Mühle.
Bockwindmühle von 1686 aus Isenstedt – schon 1935 ins Museum transloziert.
Der Blick von der Mühle.
Speicher von 1795 aus Avenwedde bei Gütersloh.
Detail am Speicher.
Bauernhaus, Speicher und Backhaus im Museum in Bielefeld.
Ein erstes Zusammentreffen der schon angereisten Tagungsteilnehmer im Meierhof Olderdissen, unweit des Museums.



Begrüßung und Vortrag über das Bauernhausmuseum durch Dr. Johannes Altenberend, Vorsitzender des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e.V.
Anschließend berichten Dr. Dietrich Maschmeyer (IG Bauernhaus) und Dr. des. Anja Schmid-Engbrodt M.A. (Pulheim) über ihre Untersuchungen in den Abbruchdörfern – verursacht durch den Braunkohleabbau – zwischen Mönchengladbach und Erkelenz.

Die Tagung:

Musealisierte (Bauern-)Häuser Bausubstanz, Ideologien, Gründungspersönlichkeiten
28. Jahrestagung des Arbeitskreises für ländliche Hausforschung in Nordwestdeutschland und der Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V.
vom Freitag, 18. bis Sonntag, 20. März 2016 in Bielefeld

Das Thema der Tagung:Historische ländliche und städtische Häuser sind heute vielfach in ihrem Bestand bedroht. Als relativ substanzschonende Lösung kommt eine Musealisierung in Frage, die Nutzung als Museum oder Heimathaus. Dabei werden die Häuser oft in einer Weise hergerichtet, die auf frühere, „alte“ Zustände Bezug nimmt.
Die Tagung möchte sich folgenden Fragen widmen: Welche Häuser wurden in welcher Zeit der Musealisierung für Wert erachtet? Waren es Häuser mit bestimmten, vielleicht als „typisch“ angesehenen Merkmalen? Spielte besonders alte oder besonders gut erhaltene Substanz eine Rolle? Gibt es hier zeitlichen Wandel oder Kontinuitäten?
Die bauliche Substanz kann detailliert analysiert werden: Welchen Zustand zeigen die Häuser? Wurde vor der Musealisierung eingehende Bauforschung betrieben? Gibt es einen bestimmten Zeitschnitt? Wurden Kompromisse zwischen bauhistorisch ermittelten Zeitschnitten oder Erwartungen von Besuchern oder Wissenschaftlern geschlossen? Wie sehen diese Kompromisse aus?
Haben die verschiedenen politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts baulich sichtbaren Einfluss gehabt? Welche Rolle spielen Heimatschutzbewegung, NS-Zeit und die Heimatbewegung der Nachkriegszeit? Wie verhalten sich die Vorstellungen und Initiativen der öffentlich-rechtlichen Kulturinstitute und Museumsträger gegenüber den Vorstellungen und Initiativen von Heimatfreunden, häufig Laien, „vor Ort“?
Wer waren eigentlich die Akteure im Einzelnen? Große Namen wie Heinrich Ottenjann (Cloppenburg), Josef Schepers (Detmold) oder Gerhard Eitzen (Kommern) sind bekannt, aber kann man näheres über ihre Vorstellungen und Ansprüche sagen? Wie sieht es mit der Dokumentation der historischen Gebäude aus? Wie gut sind die verschiedenen Zustände der heute musealisierten Häuser dokumentiert?
Wie wurde mit einem Gebäude umgegangen? Wurde es nach historischen Befunden wiederhergestellt oder idealtypisch rekonstruiert? Wurden vielleicht sogar Teile von mehreren Gebäuden zu einem Museumsgebäude zusammengefügt?
Kann man etwas über die Beweggründe der Akteure sagen, nach denen sie die Häuser museal gestalteten?
Haben die musealisierten Häuser Rückwirkungen auf zumeist „landschaftsgebundenes“ Bauen außerhalb der Musealisierung gehabt? Gibt es Unterschiede zwischen den Qualitätsansprüchen von Akteuren etwa aus Volkskunde und Archäologie?
Tagungsort ist die ehemalige Ravensberger Spinnerei, im Maschinensaal im 3. OG
Wolfgang Dörfler eröffnet die Tagung mit einer Einführung ins Tagungsthema.
Begrüßung
  • Wolfgang Dörfler (IG Bauernhaus), Dr. Lutz Volmer (Bauernhausmuseum Bielefeld): Musealisierte Bauernhäuser: Einführung in das Tagungsthema

    Überblicksbeiträge
  • Dr. Fred Kaspar (LWL-Denkmalpflege in Westfalen): Freilichtmuseum und Denkmalpflege. Partner oder Rivalen? 
  • Wolfgang Dörfler (IG Bauernhaus): Jan Bohls und die Gründung des ersten Freilichtmuseums im Elbe-Weser-Dreieck 
  • Carsten Sobik M.A. (Freilichtmuseum Hessenpark): Gebäudeensembles in Freilichtmuseen
Frühe Freilichtmuseen

  • Dr. Nils Kagel (Freilichtmuseum Molfsee): „(…) das wertvolle Altertum der eigenen Heimat zu erhalten“. Museumsgebäude als Ausdruck nationaler Identität in Schleswig-Holstein 
  • Hans-Joachim Turner (IG Bauernhaus): Das Heidemuseum in Wilsede 
  • Dr. Sebastian Möllers (Museen Stade), Robert Gahde M.A. (Niedersächsisches Landesarchiv, Stade): Das Altländer Haus im Freilichtmuseum auf der Insel in Stade 
  • Dr. Lutz Volmer (Bauernhausmuseum Bielefeld): Die Gebäude des Bauernhausmuseums Bielefeld: Vom Haus Meier zu Ummeln 1917 bis zur Sanierung der Windmühle aus Hille 2014 
  • Ulrich Reiff M.A. (Oberharzer Museum): Das Montanhistorische Museumsdorf in Clausthal-Zellerfeld: das Oberharzer Bergwerksmuseum von 1892 mit seinem Schaubergwerk und Freigelände von 1929-1941 
Museumsgründungen im „Dritten Reich“
  • Dr. Michael Schimek (Museumsdorf Cloppenburg): Zwischen Ideologie und Wissenschaft – Frühe Gebäudetranslozierungen im Museumsdorf Cloppenburg 
  • Dr. Ralf Vogeding (Kreismuseum Syke): Abbau, Dokumentation und Wiederaufbau von vier Gebäuden im Kreismuseum Syke als Ausdruck der musealen Vorstellungen der jeweiligen Zeit. 
  • Dr. Thomas Spohn (ehem. LWL-Denkmalpflege in Westfalen): Freilichtmuseumsprojekte im Amt Rahden (Kreis Minden-Lübbecke). Der Museumshof Rahden und das Konzept des ‚Urkundshofes‘ – 1939 bis 1966 
  • Christian Schulte (Lichtenau): Der Ottenshof als „Dorfgemeinschaftshaus“ in Wewelsburg. Eine Betrachtung der baulichen Veränderung von 1935-1937
Museumsgründungen und Initiativen nach 1945
  • Dr. Ulrich Brohm (Museumsdorf Hösseringen): Konzepte und Methoden im Wandel – Translozierung und Nutzung historischer Gebäude im Museumsdorf Hösseringen 
  • Dirk Wübbenhorst für Konrad Wiedemann (Waddeweitz): Umsetzung des Parum Schulze Hauses aus dem Rundlingsdorf Süthen auf das Gelände des Rundlings-Museums in Lübeln 
  • Dr. Veronika Plöckinger-Walenta (Weinviertler Museumsdorf Niedersulz): Kein Bauen ohne Ende! Konzeption, Aufbau und Weiterentwicklung des Weinviertler Museumsdorfs Niedersulz / Niederösterreich 
  • Heinz Riepshoff (IG Bauernhaus, Bauernhaus-Archiv Syke): Häuslingshaus, Bauernhaus, Spargelmuseum. Die steile Karriere eines musealen Gebäudes 
  • Michael Meier (Museum Bad Münder): Das Haus der Schuhmacherfamilie Kallmeyer in Bad Münder – Geschichte, Restaurierung, museale Nutzung 
  • Laurenz Sandmann (Altstadtfreunde Warendorf): Das Dezentrale Stadtmuseum in Warendorf. Konservieren, restaurieren, rekonstruieren – Museumshäuser und Denkmalpflege 
  • Anja Heinecke (Untere Denkmalschutzbehörde Brandenburg): Sicherung, Sanierung, Musealisierung der „Bäckerstraße 14“ in der Stadt Brandenburg an der Havel 
  • Peter Barthold (LWL-Denkmalpflege in Westfalen): Geschichtsquelle oder Vereinsheim? Müllerwohnhäuser im Mühlenkreis Minden-Lübbecke 
  • Manfred Röver (IG Bauernhaus): Von der Schnapsidee zum regionalen Kulturzentrum 
  • Dietrich Maschmeyer (IG Bauernhaus): Vom Hof Ahlers (Klein Haddorf) zum Hof Feye (Gersten): Meine Erfahrungen beim Umgang mit Häusern und ihrer Geschichte 
  • Abschlussdiskussion
Die Exkursion am Sonntag:

Besuch von Häusern in Bielefeld-Heepen, Bad Oeynhausen, Löhne und in Bielefeld-Deppendorf, Bielefeld-Senne und Halle/Westfalen

Der Hof Meier zu Heepen in Bielefeld Heepen:
Von der ehemaligen herrschaftlichen Hofanlage
sind heute noch fünf Gebäude erhalten.
Besichtigung des Altenteilerhauses von 1813/14
Inschrift über der Eingangstür.
Knagge unter der Traufe
Kopfbänder mit Verzierungen und Farbresten …
… im Flett
Das Flett mit anschließender Diele.
Der Giebel ist bereits versteinert.
Das Gebäude liegt direkt an der Gräfte …

Die Ansicht über die Gräfte.
Aufwändiges Ziermauerwerk formt die Lüftungsöffnungen.

Die Rührupsmühle in Löhne-Wittel – ein kleines Heimatmuseum, 
alle Gebäude außer der Mühle wurden an anderen Stellen abgetragen und hier wieder aufgebaut:

Die Hofmühle wird 1587 erstmals urkundlich erwähnt.
Das Baudatum des Mühlengebäudes ist nicht bekannt.
Der "Mühlen-Betriebsraum" und …
…  die Müllerwohnung sind museal eingerichtet.
Das kleine translozierte Backhaus.
Im Türriegel des Backhauses ist das Baudatum eingeschnitzt: 1841.
An Backtagen wird der nach einem historischen 
Vorbild rekonstruierte Backofen angeheizt.
Fachwerk-Holzschuppen zur Lagerung 
des Holzes für den Backofen.
Das translozierte Heuerlingshaus von 1727 ist ein Zweiständerbau.
Der Schriftbalken im Torbogen erzählt einiges zur Hausgeschichte.
Der Firstabschluß wird gekrönt von einem verzierten Giebelpfahl.
Dielenkonstruktion
Herdrähm mit Pferdeköpfen über dem Herdfeuer.
Der Kochtopf hängt am Wendebaum
Der Salzkasten hängt immer in der Nähe des Feuers.
So bleibt das Salz trocken und die Hausfrau hat es schnell zur Hand.
Der Fachwerkspeicher  …
… wird als Veranstaltungsraum genutzt.


Der Museumshof Bad Oeynhausen:

1969 wurde der Museumshof  in Bad Oeynhausen mit
Haupthaus, Heuerlingshaus, Scheune, Speicher, Backhaus
und Hofwassermühle als Heimatmuseum eröffnet.
"Familienfoto"  vor dem Giebel des Haupthauses aus dem Jahr 1739.
Torbogen und Giebelschwelle sind, wie in der Region üblich, aufwändig gestaltet.
Eckknoten Giebel/Traufe. 
Auch hier hängt ein Salzkasten neben dem Wendebaum.

Neben dem großen Bauernhaus steht dieses Heuerlingshaus von 1654.
Die Diele im Heuerlingshaus
Längsdurchfahrtscheune von 1803.
Blick in die Scheune
Thomas Spohn und Lutz Volmer – die beiden Organisatoren dieser Tagung.
Im Seekrug wurden die Tagungsteilnehmer zum Mittag bewirtet:

Das translozierte Haus ist ein zweischiffiger Dreiständerbau aus dem Jahr 1616.
Diele und Nebenräume werden als Gaststätte genutzt.
Bauherr, Zimmermann und Baudatum stehen auf dem Torbalken.
Baudatum 1616
Zum Ensemble gehört der ebenfalls translozierte Speicher von 1820.

Eckpunkt am Speicher.
Obere Deppendorfer Mühle:

Die Mühle wurde 1697 gebaut.
Der große restaurierte Raum wird für Veranstaltungen genutzt.
Letzte Station der Exkursion ist die kleine Stadt Halle/Westf.


Ortsbildprägender städtischer Bau …
… mit markantem Torbogen, inschriftlich datiert 1712.
Die Stadtführerin informiert über die Stadtgeschichte.
Die Kirchringbebauung, „Haller Herz“ genannt
Die evangelische St. Johanniskirche
 Halle/Westf., Haus Brune, Bahnhofstraße 10

Der große Bau von 1677/78 Kaufmannshaus, Pfarrhaus und Kreisverwaltung.
In den ursprünlichen Torbogen wurde eine repräsentative Haustür eingebaut.
freigelegtes Motiv der Wandgestaltung
bauzeitliche Innenausstattung
Wandpaneele und Deckengestaltung zeugen von einem gewissen Wohlstand.
Liegender Stuhl im Dachwerk des Hauses.


Bericht der Neuen Westfälischen Zeitung:

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