25. Januar 2015

Mit der IGB und dem MET, mit Heinz und Andrea durch Transsylvanien

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in der Zeitschrift "Der Holznagel" Ausgabe 6/2014, Mitgliederzeitschrift der Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V.
Abb. 1 Die Gruppe wird von Andrea, unsere Reiseführerin und Organisatorin vor Ort, über den Reiseverlauf unterrichtet.
Die erste Reise der IGB nach 40 Jahren Vereinsgeschichte fand im September 2014 statt. Die allererste Reise, die sagenumwobene Tour in die DDR 1988, war nur scheinbar eine IGB-Reise, denn Gerd Kühnast von der anderen IGB, der Interessengemeinschaft Baupflege Nordfriesland, hatte jene Reise organisiert und dabei allerdings beiderlei IGBler mitgenommen. 
Wenn wir schon bei Abkürzungen sind: MET ist der Fundatia Mihai Eminescu Trust, was ja nur verständlich ist, wenn man akzeptiert, dass das erste Wort in der Abkürzung fehlt. Das geht aber, weil Fundatia und Trust ja wohl das gleiche bedeutet nämlich Stiftung. Der Trust war eine britische Gründung, der Name schon Tradition. Der Trust ist jetzt aber nach Rumänien umgesiedelt und daher wohl der Namenszusatz. Die Stiftung wurde benannte nach dem berühmten rumänischen Autor Mihai Eminescu. Über die Ziele der Stiftung und die Gemeinsamkeiten mit der IGB geben die Artikel im Holznagel 5/2012 ausführliche Auskunft. Dass die Engländer sich so stark für eine deutsche Kultur und deren Hinterlassenschaften engagiert haben, verlangt höchste Bewunderung und Dank. Der englische Thronfolger Prinz Charles ist Schirmherr des Trustes und selbst Besitzer von wenigstens einem Haus in Deutsch Weiskirch, was gut zu meiner - schon seit Jahrzehnten bestehenden - Bewunderung für diesen Mann passt.

Transsylvanien – Siebenbürgen – Ardeal – Erdély sind der lateinische, der deutschen, der rümänische und der ungarische Name für diese etwa einem Dreieck entsprechende bekannteste Landschaft des heutigen Rumäniens, die von den Ost- und den Südkarparten wie von einem überdimensionalen Bollwerk an zwei seiner drei Seiten umfangen wird. Hermannstadt (Sibiu) und Kronstadt (Brasov) liegen im Süden der Landschaft am Fuß der Südkarparten, dazwischen etwas nördlicher Schäßburg (Sighisoare) - schon allein diese drei Städte hätten die Reise gelohnt. Aber Bauernhausfreunde reisen nicht hauptsächlich, um Städte zu sehen, sondern das Land. Flaches Land kann man es allerdings nicht nennen, denn Siebenbürgen ist eine Hochebene von durchschnittlich 250m über dem Meeresspiegel. Noch ein paar Zahlen: Siebenbürgen ist mit 57 000 qkm etwa 1/4 größer als die Schweiz und macht 25% der Größe Rumäniens aus. Nachdem im Holznagel 5/2012 über Geschichte, Land und Leute so ausführlich informiert wurde, besteht hier ja kaum Ergänzungsbedarf. 

Zunächst also die Reisegruppe: die Vielfalt des Vereinslebens der IGB zeigte sich in der Herkunft der 27 Mitreisen (Abb. 1), von Schleswig-Holstein bis Bayern, von Brandenburg bis NRW und dazwischen Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Hessen; somit waren fast alle deutschen Lande vertreten. Von Gründungmitgliedern der IGB bis zu „Aspiranten“ des Vereins war auch die Mitgliedsdauer stark gestreut; die meisten Mitreinden allerdings waren langjährige Vereinsmitglieder. Die Anreise nach Hermannstadt sollten die Teilnehmer selbst organisieren, so dass es hier zu einer bunten Vielfalt kam; Anreisen mit dem eigenen Wohnmobil, mit Bus und Fahrrad, mit der Bahn und mit dem Flieger aus verschiedenen Abflughäfen waren darunter. Die norddeutschen Teilnehmer hatten sich zum Teil in Hannover zum Teil erst in München zusammengefunden, um dann von dort gemeinsam nach Sibiu zu fliegen. 
Abb. 2 Heinz und Andrea bei der Umplanung
Vor Ort im Empfang genommen und den größten Teil der Reise geleitet und begleitet wurden wir von Andrea Rost vom MET. Nett, jung, entspannt und überaus gut informiert, polyglott und mit großen Organisationsgeschick ausgestattet hat sie den wesentlichsten Beitrag zum Gelingen der Reise geleistet, außer und mit Heinz Riepshoff natürlich, ohne den die Reise ja gar nicht erst zustande gekommen wäre (Abb. 2). Dann hatten wir einen mutigen und zuverlässigen Busfahrer. Er hatte von seinem Chef den schönsten Mercedes-Bus des Unternehmens mitbekommen und ist mit uns auf Seitenwegen und über Brücken gefahren, bei denen wenigstens ich den Atem angehalten habe; es ist alles gut gegangen. Andrea hat häufig umdisponieren müssen, so dass der Plan vor Antritt der Reise nur noch entfernt mit der Reise selbst zu tun hatte. Heinz hat uns dankenswerter Weise die tatsächliche Reiseroute im Nachhinein noch zugeschickt, so dass wir die Fotos nun sicher zuordnen können. 
Abb. 3 Stickdecke in meinem Zimmer in Deutsch-Weißkirch / Viscri
Abb. 4 Betttruhe in meinem Zimmer in Malmkrog / Malancrav
Bei den Eindrücken ganz vorne steht unsere Unterbringung. Wir haben in sechs von zehn Nächten in Bauernhäusern übernachtet. Diese alten, leer stehenden Häuser sind vom MET saniert worden, so dass sie als Gästehäuser vermietet werden können. Im Innern hat man so weit wie möglich die Einrichtungen erhalten, die Möbel, Vorhänge, bestickten Decken und Bilder sind historisch (Abb. 3). Mein Truhenbett in Malmkrog sorgte für große Heiterkeit (Abb. 4). Die Liegefläche befand sich 1 m über dem Erdboden und war mit einem Deckel verschließbar. Damit er mir in der Nacht nicht auf den Kopf fällt, habe ich die Truhe 20 cm von der Wand abgerückt. Zum Glück konnte ich das Bett allein benutzen, so dass die unten ausziehbare Schublade mit nur 40 cm Breite nur als Aufstiegshilfe und nicht als zweites Bett benutzt zu werden brauchte. 
Abb. 5 Johannes Schass führte uns durch die Kirche in Deutschkreutz / Crit
Zahlreiche der traditionellen Bauernhäuser stehen leer, nachdem in Folge der Revolution von 1990 ca. 90.000 Siebenbürger Sachsen das Land in Richtung Deutschland verlassen haben. Die Häuser werden von Nachbarn bewirtschaftet, die uns auch mit Essen versorgt haben, wobei wir abends als ganze Gruppe in ungebauten Scheunen gemeinsam Essen konnten. Die Speisen waren regional produziert, oft aus den Gärten unserer Wirtsleute. Auf die Frage nach der Belegung erfuhr ich, dass mit drei bis vier Monaten im Jahr schon die Kapazität der Wirtsleute erschöpft ist, die ja auch ihren eigenen Beruf bzw. die eigene Landwirtschaft ausüben müssen. Viele von ihnen konnten Deutsch, entweder weil sie eben noch Siebenbürger Sachsen sind, die so genannten „Zurückgebliebenen“. Davon unterschied Andrea die „Wiederkehrer“ zu denen auch sie gehört, also Siebenbürger, die nach Jahren in Deutschland nun wieder in Rumänien leben, und schließlich die Sommer-Sachsen, ältere Menschen, die die Sommermonate in ihren Häusern in Siebenbürgen verbringen, den Rest des Jahres aber bei ihren Familien in Deutschland leben. In Reichesdorf und Deutsch-Kreuz wurden wir von dem 82 jährigen Johannes Schaas (Abb. 5) bzw. der über 90 jährigen Sophia „Phinchentante“, beide Siebenbürger Sachsen durch die Kirchen geführt. Die Bauernhäuser und Kirchen zeigen noch eine kaum vorstellbare Tradition deutscher Sprache und Kultur. Wir erfuhren, dass die Volksgruppen der Rumänen, Ungarn, Zigeuner (wie sie sich selbst nennen, wir sagen ja meist Roma) Deutschen und Österreicher über Jahrhundert komplett nebeneinander her gelebt haben. Heiraten zwischen Menschen der verschiedenen Volksgruppen kamen nicht vor.

Eindrücklich sind mir Landwirtschaft und Landschaft in Erinnerung geblieben. Die Dorfkuhherde, die abends zur Tränke ins Dorf kommt und sich dann auf die Gehöfte verteilt, die große Zahl an Pferdefuhrwerken als Regelfall der Fortbewegung, die Schaf- und Ziegenherden, die Dorfgänse am offenen Bach. Die Landschaft ist in weiten Teilen noch eine extensiv genutzte offene Weidefläche. Diese Wirtschaftsform ist auch die von den heutigen Bauern, meist Rumänen oder Roma, bevorzugte Nutzung. Zu Zeiten der Siebenbürger Sachsen waren auch der Ackerbau und intensive Formen der Landwirtschaft wie Wein- und Obstanbau stark verbreitet gewesen. Große Plantagen, die aber auf Bewässerung angewiesen wären, liegen heute wüst, die Bäume und Rebstöcke sind vertrocknet. 

Das größte Waldweidegebiet Europas, die „Breite“ bei Schäßburg allerdings kann von dieser extensiven Weidenutzung nicht profitieren und ist stark gefährdet. Unsinnige Entwässerungsmaßnahmen zur Ceaucescu-Zeit und ein zu niedriger Viehbesatz, vor allem zu geringe Beweidung mit Hornvieh und Pferden führt zum Überwachsen mit Bäumen und Sträuchern, zur mangelnder Verjüngung und zum Verschwinden dieser großartigen Landschaft. Dass nicht mehr der MET für die Pflegemaßnahmen im Naturpark zuständig ist, ist ein weiterer Grund zur Sorge.
Abb. 6 Fertig aufgeschichteter Meiler in der Köhlerei bei Almen / Alma-Vii
Die Beschreibung lässt schon ahnen, dass das Land großartig zum Wandern geeignet ist. Eine Wanderung führte uns zu einem Köhler. Dort waren die Meiler in allen Stadien ihres Aufbaus und des Abbrennens nebeneinander zu betrachten (Abb. 6). Die Schwere der Arbeit und der Ablauf der Produktion wurden uns von der Köhlerfamilie in Detail gezeigt und erklärt. Auch haben wir eine Halbtageswanderung von Malmkrog nach Felsendorf unternommen. Eindrucksvoll neben der vielfältigen Vegetation waren die Hohlwege, die bis zu sechs Meter tief in die hügelige Landschaft eingeschnitten sind (Abb. 7).
Abb. 7 Hohlweg nahe Malmkrog / Malancrav
Meine Frage an Andrea, was sie eigentlich immer in ihrem Rucksack mit sich führen würde, ergab eine überraschende Antwort: U.a. Silversterböller, Feuerzeug und Streichhölzer (also zweierlei Entzündungsmitteln falls eines von beiden versagen würde) sowie Abwehrspray. Die Böller sind gegen die Bären notwendig, denen man dort gar nicht so selten begegnen soll, das Spray nicht gegen die Wölfe (die sind zwar zahlreich aber scheu) sondern gegen die Hunde, die die Schafherden gegen die Wölfe bewachen und die auch die Menschen überhaupt nicht lieben. Unser Spaziergang erlitt eine 20-minütige Unterbrechung, als zwei dieser Hunde die hinterherhängende Hälfte der Gruppe stellten, so dass an ein Weitergehen nicht zu denken war. Der Schäfer brauchte solange, bis er sich endlich bequemt hatte, seinen Hunden klar zu machen, dass sie zurückkommen sollen.
Abb. 8 Buffet im Pfarrgarten von Deutschkreutz / Crit
In Felsendorf wurden wir durch eine schön renovierte Kirche  von 1424 (ohne Mauer!) entlohnt, bekamen ein Picknick auf freier Wiese serviert und den Bus, der uns den Fußrückweg ersparte. Das schönste Picknick der Reise bekamen wir im Pfarrgarten von Reichesdorf unter Bäumen geboten. Käse, Wurst, wunderbare Tomaten, verschiedene Salate darunter vor allem das rumänische Nationalgericht Ghiveci, eine Chutney aus Tomaten, Paprika, Zwiebeln, anderem Gemüsen und Kräutern, das sogar schon zum Frühstück auf dem Tisch steht, gehörten dazu (Abb. 8).  
Abb. 9 Kirchenburg in Kleinschenk / Cincsor
Muss man die Kirchenburgen loben? Ist ihre Einmaligkeit irgendwo noch nicht bekannt? (Abb. 9) Mir imponierte vor allem, dass sie bis in den letzten Winkel erkletterbar sind, dass dem Interessierten hier alle Dachstühle, Wehrgänge und Türme zugänglich sind, wenn dafür manchmal auch einiger Mut und einige Anstrengung gefordert sind (Abb. 10). Wenn man bedenkt, dass wir nur den südlichen Teil des „Kirchenburgenlandes“ überhaupt zu erkunden begonnen haben, dann stehen für weitere Reisen nach Rumänien noch reichliche Ziele offen. Und Reisen in dieses Land sind ohnehin sehr empfehlenswert, freundliche Menschen, eine ausreichende Infrastruktur und außerhalb der städtischen Touristenzentren sehr moderate Preise sind wesentliche weitere Argumente dafür.
Abb. 10 Leiter aus mit Holznägeln befestigten Kanthölzern im Kirch- und Wehrturm von Malmkrog / Malancrav
Als Resümee nur soviel: Noch ist es Zeit die Dörfer zu erleben, ehe die - die Pferdefuhrwerke ersetzenden und dann natürlich auch überall in den Dörfern abgestellten - Autos das Bild zerstören. Eine interessante Diskussion im MET dreht sich darum, wie man mit den Autos fertig werden kann. Es müssen wohl Sammelparkplätze außerhalb der Dörfer angelegt werden. Die Alternativen sind dann ein kostenpflichtiger Parkplatz mit kostenlosem Pferdefuhrwerktransfer ins Dorf oder kostenloser Parkplatz und kostenpflichtiger Transfer (Abb. 11). 
Abb. 11 Pferdefuhrwerke als Kutschen genutzt in Deutschkreutz / Crit
Ich finde dass, die Reise zum festen Angebot der IGB werden sollte. Sie kann dann vielleicht Menschen anregen zu überlegen, was sie persönlich zur Rettung dieser in weiten Teilen deutschen Kultur und überwältigenden Landschaften tun können, wie es uns die Engländer mit dem MET vorgemacht haben und wie es Heinz Riepshoff und seine reisenden Hausforscherfreunde mit dem Aufmessen und Dendrodatieren von Scheunen schon begonnen haben. 

Abb. 10 Heinz Riepshoff, alle anderen vom Verfasser

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