14. November 2021

Unterwegs in Georgien - Teil 4, Ushguli: Shibiani und Tschwibiani

Die beiden höher gelegenen Ortsteile von Ushguli
heißen Schibiani und Tschwibiani.
Das ethnographische Museum in Schibiani ist in einem
Machubi aus dem 16. Jh. untergebracht und
mit vielen archaisch anmutenden Gegenständen ausgestattet.

Der gesamte Familienverband lebte in diesem Raum,
manchmal bis zu 30 Personen, mit sehr wenig Licht, einer
offenen Feuerstelle und im Winter mit allen Haustieren.
Einige der Ausstellungsstücke lassen sich ins 12. Jh. datieren.
Der mehrstöckige Holzaufbau ist mit Schnitzereien verziert 
und diente
 zur Beherbergung von Nutzvieh und Menschen.
In dieser Sammlung historischer Alltagsgegenstände
fällt besonders das stehende Brett mit den Steinen an der
Unterseite auf. Es handelt sich um einen Dreschschlitten.


Der Dreschschlitten
... besteht aus Holzbohlen, auf deren Unterseite klingenartig zugeschlagene oder zertrümmerte Steine mit scharfen Kanten eingeschlagen wurden. Auf einer trockenen, feste Erdtenne wurde der Schlitten - beschwert durch den darauf stehenden Lenker - von einem Zugtier über das aufgehäufte Getreide gezogen.
Er drückte die Getreidekörner oder Hülsenfrüchte aus den Ähren bzw. Schoten und befreite sie von den Hüllspelzen. Die scharf zugehauenen Steineinsätze zerschnitten gleichzeitig Halme und Ährenreste zu einer feinen, weichen Spreu, die als Viehfutter verwendet werden konnte. Dreschschlitten wurden seit ca. 3.500 v. Chr. hauptsächlich in trockenen Regionen von den ostatlantischen Inseln (z. B. Azoren) im Westen über die zirkummediterranen Regionen bis in den Iran im Osten nachgewiesen. Das Vorkommen im Kaukasus lässt darauf schließen, dass es auch in diesen Hochlagen Getreideanbau gegeben hat.
(1) (2)
Webstuhl und Mühlstein aus Granit
Hängende Babywiege mit neuer Funktion
Inneres eines Machubi
Quelle: https://georgiaabout.com/2012/07/26/about-sights-svanetian-towers/


Der Machubi

Das Untergeschoss eines Machubi besteht aus einem einzigen großen Raum mit offener abzugloser Feuerstelle. Diese war von einer Hängevorrichtung aus Holz überdeckt, auf der Schieferplatten lagen, um ein Hochschlagen der Flammen in das darüber liegende Stockwerk zu verhindern.1
Der Raum diente als Winterwohnstätte für Menschen und Haustiere, um die Körperwärme aller Lebewesen für die kalten Winter zu nutzen. Je nach Größe des Gebäudes, befanden sich an mindestens zwei, aber manchmal auch an allen Außenseiten des Raumes zwei- bis dreigeschossige Holzeinbauten, die einem durchgehend verlaufenden Stockbett- oder einem sehr tiefen Regalsystem ähneln. Die sichtbare Abgrenzung in die Raummitte ist reich verziert mit Schnitzereien, die, je nach Ausführung und Güte, auf den Wohlstand der Familien hinwiesen. Unten standen die Kühe, deren Köpfe durch Öffnungen zu den vorgelagerten Futtertrögen herausragten. Auf der nächsten Ebene standen Schafe, Ziegen und Kleinvieh wie Hühner. Oben befanden sich die Betten der Menschen. 
Im oberen Stockwerk des Machubi, dem Darzabi, wurden im Winter das Heu für die Tiere und die Nahrungsmittelvorräte für die Menschen aufbewahrt. Im Sommer wurde er von der Familie als Wohn- und Arbeitsraum genutzt. 
Eine Tür auf dieser Ebene ermöglichte den Zugang zum Turm, der auch mit dem Korridor verbunden war, der den Eingang schützte. 
Das flache Satteldach des Steingebäudes, das sparrenlos nur aus quer laufenden Balken aufgebaut ist, ist mit Schieferplatten gedeckt. Deren schwere Last erhöht sich im Winter noch durch die aufliegende Schneeschicht, die zugleich als Isolationsschicht wirkt. Im Zentrum wird das Dach durch eine massive Holzsäule gestützt, die das auf den Balken lagernde Gewicht abfängt. 
Das Leben der Familien im Jahresgang spielte sich im Wechsel zwischen Machubi, Türmen und reinen Stallgebäuden ab. 
 


Auch außerhalb des Museums gibt es immer wieder
interessante An- und Einblicke...

Mächtige Außenmauer eines Machubi

Man begegnet freilaufenden Haustiere in großer Zahl.
Vorerst haben sie ein glückliches Leben.

Halbwilde Hunde, die nicht ganz ungefährlich sind.
Die mageren Pferde werden oft mit 2 Reitern gequält -
einem Einheimischen und einem Touristen
Pusdiis Kapelle
Vorbereitungen für einen langen harten Winter
Man kann es der einheimischen Bevölkerung nicht verübeln,
aber die Ortsansicht wird durch Modernisierungen dieser Art
sehr stark beeinträchtigt.

Die Müllentsorgung klappt nicht so gut.
Die Wohnverhältnisse sind teils sehr ärmlich.
Lost Places überall, aber erwendetauch zarte Hoffnung...
Dachreparatur
Kinder auf dem Heimweg von der Schule

Leider ist die Hoffnung nicht allzu groß, dass diese wertvollen Zeugen der Geschichte die moderne Zeit noch lange überdauern werden.
 
(1) Quelle: Dreschgerät und Totenbett. Hölzerne Dreschschlittenfragmente des 1. Jahrhunderts aus einer Nekropole auf der Krim von Kirsten Hellström, Michael Hochmuth, Berlin, und Jurij P. Zajcev, Simferopol
(2) Wikipedia 

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