11. Juli 2025

Promotion in Utrecht und noch ein römisches Schiff

Heute ist ein besonderer Tag: Wir nehmen an der Promotion oder Disputation, der Verteidigung der Doktorarbeit unseres baskischen Freundes Josué Susperregi an der Universität Utrecht teil. Dieser feierliche Akt ist der eigentliche Anlass unserer Reise in die Niederlande.
Vormittags um 11 Uhr treffen wir uns mit Ibon und Josué und seiner Familie auf dem Domplatz in Utrecht, wo sich auch das Aulagebäude der Universität befindet. Josué ist etwas aufgeregt - aber, wie mein Professor und Prüfer in der Ur- und Frühgeschichte in Münster zu mir vor meiner Prüfung sagte: „Wer vor der Prüfung kein Lampenfieber hat, ist auch nicht engagiert!"

Treffen auf dem Domplatz in Utrecht: Die Hausforscher, Dick Zweers (2. von links), Mertxe Urteaga, Ibon Telleria aund eine weitere Kollegin aus dem Baskenland sind gekommen, um Josués Promotion zu feiern.

Das Treppenhaus im Uni-Gebäude, es wird langsam spannend...

Der Senatssaal der Universität Utrecht: Hier, in diesem Respekt gebietenden Saal, unter den Augen aller früheren Professoren der Universität, die auf Gemälden anwesend sind, soll die Disputation stattfinden.

Zu Beginn erläutert uns der Kandidat Josué über Inhalt und Fragestellung seiner Dissertation: Es geht um Dendrochronologie, um die Erstellung von Referenzchronologien, um das „hölzerne gebaute Erbe” des Baskenlandes besser datieren und einordnen zu können. Anschließend erinnert Josué an seine im Januar verstorbene Professorin Esther Jansma, die in Utrecht Dendrochronologie gelehrt hat und ihn bei seiner Doktorarbeit von Anfang an, seit über 20 Jahren unterstützt hat.

Ein Blick in das gespannte Auditorium. In der ersten Reihe sitzt die Familie von Josué.

Jetzt wird es ernst: Die hohe Prüfungskommission ist in den Saal eingezogen, acht Professor:innen als „Opponenten” und der Vorsitzende, mit Talar und Barett, sitzen Josué gegenüber und beginnen, kritische Fragen zu seiner Arbeit zu stellen. Er hat eine Stunde Zeit, auf diese Fragen zu anatworten. Die Disputation läuft sehr konstruktiv ab, mehrere Opponenten würdigen zu Beginn die besondere Qualität der Arbeit von Josué.

Nachdem die hohe Kommission sich zur Beratung zurückgezogen hat, zieht sie wieder in den Saal ein und dem Kandidaten wird das Ergebnis der Beratung bekanntgeegeben: Josué ist erfolgreich promoviert und darf ab jetzt den Doktortitel der Universität Utrecht führen! Alle sind erleichtert - und es ist ein erhebender Augenblick. In Deutschland gibt es so ein Zeremoniell nicht mehr - hier wurden die Talare, unter denen der „Muff von 1000 Jahren” verborgen gewesen sein soll, seit 1968 abgeschafft. Eigentlich ein Verlust, diese Veranstaltung strahlt eine große Tradition und Würdigkeit aus. 

Anschließend werden gedruckte Exemplare der Dissertation von Josué herumgereicht, es gelingt uns Hausforschern, zwei signierte Exempare zu ergattern. Der Titel der Dissertation lautet in Übersetzung: "Entwicklung einer Referenzchronologie für Eiche im Baskenland um die Kenntnis über sein hölzernes Erbe zu verbessern”. Eine beeindruckende Arbeit, die die Forschung über den spätmittelalterlichen Holzbau im Baskenland weit voranbringt!

Es folgt ein geselliger Imbiss im Universitätsgebäude mit Getränken, alle gratulieren dem Kandidaten und es macht sich entspannte Stimmug breit….

Mitglieder der Prüfungskommission, noch mit Talar und Barett, und die Gäste erfrischen sich mit Getränken und kleinen Snacks...

Der frisch gebackene Doktor präsentiert stolz sein Diplom - der Erfolg von über 20 Jahren Arbeit.


Defilee: Mitglieder der Prüfungskommission, Familie, Freunde und Gäste stehen Schlange, um dem frisch gebackenen Doktor zu gratulieren.

Josué signiert für uns zwei Exemplare seiner Doktorarbeit.

Nach dieser würdigen und erhebenden Veranstaltung brauchen wir erstmal eine Erfrischung: Wir besuchen die uns bereits wohlbekannte Eisdiele am Fischmarkt in Utrecht.

Am Nachmittag fahren wir zum Museum „Castellum” vor den Toren von Utrecht. Das Museum ist in moderner Form einem römischen Militärlager nachgebildet und erzählt die Geschichte der römischen Grenzbefestigungen am Niedergermanichen Limes, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. 

Im Museum „Castellum” sind wir mit Silke verabredet, einer Archäologin, die sich für hölzerne Artefakte (Werkzeug, Gebäudeteile, Möbel usw.) begeistert. Sie hat sich über zehn Jahre mit der Rekonstruktion eines römischen Schiffes beschäftigt, das in der Dauerausstellung des Museums gezeigt wird. 

Ein römisches Flachbodenschiff, datiert 148 n. Chr., hervorragend erhalten, mit eichenen Spanten und Kniehölzern, die gegenläufig verbaut sind - ähnlich wie bei den Schiffen von  Zwammerdam, deren laufende Restaurierung wir vor zwei Tagen im Museumspark Archeon gesehen haben,

Das Schiff ist wirkungsvoll im Museum präsentiert, allerdings sind die umgebenden Galerien und Rampen fast 10 Prozent steil und die Brüstungen sehr hoch, dass ich als Rollstuhlfahrer kaum etwas davon sehen kann. Ich muss mein Handy über die Brüstung halten, um Fotos von dem Schiff zu ergattern. Barrierefreie Ausstellungsgestaltung geht anders, ich bin ziemlich ärgerlich...

Eine Rekonstruktionsgrafik des römischen Frachtschiffes, Screenshot aus einer Multimedia-Anwendung in der Ausstellung.

Gesamtansicht des erhaltenen Schiffes von 148 n. Chr.

Mit dem Schiff wurden historische Werkzeuge gefunden, die sich von modernen Tischler- und Zimmermannswerkzeugen kaum unterscheiden. In der Mitte ein Drillbohrer, ganz rechts eine Schere, wie sie heute noch von Schäfern verwendet wird.

Zwei Dechsel (Querbeile). Auch Sägen sind unter den gefundenen Werkzeugen.

Einsteigen! Inzwischen haben wir zwei Alu-Schienen besorgt, um mich mit dem Rollstuhl einfacher in den Hausforscher-Bus hineinzubringen. Einsteigen und die Türen schließen, fertig zur Abfahrt!

Geselliges Abendessen mit Silke und unseren baskischen Freunden in einem Restaurant am Stadtrand von Utrecht. Wir haben uns viel zu erzählen...

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