7. Dezember 2019

Ein Besuch im Louvre

Unter wolkenverhangenem Novemberhimmel: 
der Innenhof des Louvre mit der berühmten Pyramide
Am Freitag, 29. November, stand ganz große Kunst auf unserem Programm in Paris: Wir besuchten den Louvre mit der aktuellen Leonardo-Ausstellung. Auch an einem regnerischen Freitag im November war die Warteschlange lang, aber dank unserer vorab gebuchten Online-Tickets kamen wir elegant daran vorbei... Wir sahen eine grandiose Sonderausstellung mit Originalzeichnungen, Skizzen und Gemälden von Leonardo da Vinci - und der berühmten "Mona Lisa" statteten wir natürlich auch einen Besuch ab. Wir verbrachten einen langen Tag bei Botticelli, Leonardo, Vermeer, Rembrandt und vielen anderen in einem der größten Kunstmuseen der Welt.
Unterirdische Eingangshalle des Louvre unter der Pyramide
Großer Bahnhof für die Kunst: Foyer des Louvre mit Rolltreppen. Foto: Haio Zimmermann
Zunächst besuchten wir die Sonderausstellung "Léonard de Vinci" - anlässlich des 500. Todestages von Leonardo da Vinci (1452-1519). Die Ausstellung versammelt mehrere (der nicht sehr zahlreichen) Gemälde und einen großen Teil der einzigartigen Zeichnungen und Skizzenbücher von Leonardo. Es gibt Bedeutendes zu sehen - und vormittags um 10.30 Uhr (unser Einlass-Zeitfenster) ist es noch nicht ganz so voll...

Leonardo da Vinci, Toskanische Landschaft, 5. August 1473 (Kat.-Nr. 14, Uffizien, Florenz). Diese Zeichnung einer Landschaft am Arno bei Florenz ist die früheste datierte Skizze von Leonardo. Foto: wikimedia
Skizzenbuch, Rötelzeichnung von zwei Zirkeln, ca. 1493-94 (Kat. 116, Institut de France, Paris). Leonardo war Universalgelehrter und interessierte sich für (fast) alles - menschliche Anatomie, Tier- und Pflanzenwelt, Architektur und antike Denkmäler, technische Konstruktionen und Geräte. Foto: Haio Zimmermann
Skizze einer "Luftschraube" (Helikopter), ca. 1487-89 (Kat. 123, Institut de France, Paris). Leonardo ist berühmt für seine vorausschauenden "Erfindungen" u.a. eines Hubschraubers, den er "Helix pteron" (Wendel-Flügel) nannte. Die Skizze ist in Spiegelschrift beschriftet. Foto: Wikimedia, Luc Viatour (https://lucnix.be)
Leonardo da Vinci, Werkstatt, Leda mit dem Schwan, ca. 1505-10, Ausschnitt (Kat. 155, Florenz, Uffizien). Das berühmte Gemälde bietet auch Erkenntnisse für die Hausforschung: Haio Zimmermmann vermutet, dass dieses Bild ein Niederländer in der Werkstatt Leonardos gemalt hat (oder zumindest daran beteiligt war) - denn im Hintergrund sind eindeutig niederländische oder flandrische Gehöfte mit mittelalterlichen Turmhäusern zu sehen. Vgl. dazu W. Haio Zimmermann, Depictions of upper-class farmhouses in 15th- to early 17th-century Flemish and Dutch art. Farms with towers and/or stone houses as representations of farms with a higher hierarchical status, in: Jan Klapste (ed.), RURALIA IX, Turnhout (Brepols), 2013, p. 163-181. Foto: Haio Zimmermann
Nach der ausführlichen Beschäftigung mit Leonardo und einem Mittagsimbiss im Louvre-Bistro hatten wir noch den ganzen Nachmittag Zeit, das riesige Museum zu erkunden. Nach dem Pflichtbesuch bei "Mona Lisa" interessierten uns vor allem alte italienische und niederländische Maler, die im Louvre mehr als reichlich vertreten sind.

Große Kunst in weitläufigen Hallen - im Denon-Flügel des Louvre
Ein Blick in die Abteilung "Französischer Spätbarock"
Im Raum 711 mit italienischer Malerei der Renaissance drängten sich die Besuchermassen...
...um einen Blick auf dieses Bild hinter Panzerglas zu erhaschen: Die "Mona Lisa" (La Gioconda) von Leonardo da Vinci, entstanden 1503-1506. Als Rollstuhlfahrer bekam ich vom Sicherheitspersonal freundlicherweise exklusiven Zutritt zu dem Bereich vor der Absperrung - zu einem ganz persönlichen Date mit der Dame... Ich war von der Begegnung sehr beeindruckt und habe auf ein Foto verzichtet (ein gutes Bild gibt es bei Wikipedia).
Für Hausforscher gibt es viel zu entdecken im Louvre - Gemälde sind einzigartige Bildquellen auch zum historischen Hausbau und Wohnen und als solche bei weitem nicht ausgeschöpft...

Vittore Carpaccio (Venedig, 1472-1525/26), Predigt des St. Stephanus in Jerusalem, 1514, Ausschnitt. Im Hintergrund ist die Stadt Jerusalem dargestellt - mit einem Triumphbogen als Stadttor, mittelalterlichen Häusern (auch mit einem Aborterker, ganz rechts), Kuppeln und einem Minarett. Die Darstellung ist sehr phantasievoll, der Maler war vermutlich nie in der Heiligen Stadt...
Fra Diamante (1430-ca. 1490, Florenz), Geburt Christi, ca. 1465-70, Ausschnitt. Der Stall zu Bethlehem ist als "Knüppelbau" mit Strohdach dargestellt, ein verbreiteter Topos, der nicht der Realität entspricht. Davor eine Ruine mit zweischaligem Quadermauerwerk, wie es sich der Künstler vorstellt. Links im Hintergrund eine Stadt mit Geschlechtertürmen und umgebender Landschaft, davor die Hirten mit ihren Herden. Bei dieser Gelegenheit:  
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr 2020!
Kommen wir zu den alten Niederländern: Pieter de Hooch (1629-1684, Amsterdam): Eine Frau trinkt mit zwei Männern, 1658. Das Bild zeigt das Innere eines typischen niederländischen Wohnhauses mit bleiverglastem Kreuzstockfenster, Landkarten und Gemälden als Wandschmuck, Schrank, Truhe, Tisch mit schwerer Stoffdecke und Stuhl als Möblierung. Die Wand ist schlicht weiß gestrichen, der Raum hat einen Dielenboden. Die Personen sind in der Mode des 17. Jahrhunderts gekleidet, der Mann links raucht eine Tonpfeife.
Jan Vermeer (1652-1675, Delft), Der Astronom, 1668. Das berühmte Bild zeigt einen Gelehrten in seiner Studierstube, wie er sich mit seinem Himmelsglobus beschäftigt. Auch hier ist ein bleiverglastes Fenster (mit Kreuzfries und farbig bemalter Scheibe in der Mitte) zu sehen. An der Wand hängt ein Gemälde, eine Zeichnung (Himmelskarte?) ist an den Schrank geheftet, auf dem Bücher stehen.
Und schließlich: Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606-1669, Amsterdam), Selbstporträt, 1633. Der Louvre besitzt zwei Selbstporträts und zahlreiche Gemälde des berühmten Niederländers - ein ganzer Raum voll Rembrandt...
...darunter die bekannte "Bathseba im Bade, mit dem Brief König Davids", 1654. Für den Hausforscher eher weniger relevant - aber sehenswert...
Dagegen ist dieses eher ungewöhnliche Gemälde auch für Volkskundler und Hausforscher höchst interessant: Rembrandt, Der geschlachtete Ochse, 1655. Der Ochse ist an einem Gestell zum Abkühlen aufgehängt, vermutlich in einer Art Diele oder einer Scheune.
Haio entdeckte auf dem Gemälde ein Unterlegholz - als archäologisch schwer nachweisbare Alternative zu Ständerstein oder Schwelle im Fachwerkbau. Darunter erkennt man übrigens die Signatur des Malers: "Rembrandt / 1655." 
Vgl. W. Haio Zimmermann, Pfosten, Ständer und Schwelle und der Übergang vom Pfosten- zum Ständerbau, in: Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 25, 1998, S. 9-241. Foto: Haio Zimmermann

Natürlich kommt man im Louvre an den Zeugnissen der ruhmreichen Geschichte der "Grande Nation" nicht vorbei - nur ein prominentes Beispiel sei hier gezeigt:

Eugéne Delacroix (1798-1863), Die Freiheit führt das Volk, 1830. Das bekannte Gemälde verherrlicht die Pariser Julirevolution von 1830.
Sehenswert ist schließlich auch der modern überdachte Innenhof des Richelieu-Flügels, in dem Skulpturen des Barock und Klassizismus gezeigt werden. Inzwischen war es fast 18.30 Uhr, wir waren fast sieben Stunden im Louvre unterwegs und unsere Aufnahmefähigkeit restlos erschöpft...

Louvre, Innenhof des Richelieu-Flügels mit Skulpturen des Barock und Klassizismus
Immer wieder schwer beeindruckend: Der beleuchtete Hof des Louvre mit der 1989 eröffneten gläsernen Pyramide von Ieoh Ming Pei (1917-2019)
Vom Louvre zogen wir in die Stadt, um zu Abend zu essen - und beschlossen, wieder im "Bistrot Victoires" einzukehren, wo es uns schon am Mittwoch so gut gefallen hatte. Auf dem Weg dorthin besichtigten wir noch den dritten der fünf "königlichen Plätze" von Paris, die Place Victoires, nach der das Bistrot seinen Namen hat.

Unterwegs entdeckten wir dieses runde Eckhaus an der Rue de la Vrillière, nicht weit vom Bistrot Victoires - ein barocker Sandsteinquaderbau aus dem 18. Jahrhundert.
Die Place des Victoires ist ein kreisrunder Platz, der an den Sieg König Ludwigs XIV. im Französisch-Niederländischen Krieg erinnern sollte. Um das Reiterdenkmal des Königs (in der Revolution zerstört, erneuert 1822) entstand 1685-87 eine kreisförmige Bebauung mit dreigeschossigen Arkadenhäusern mit Mansarddächern - nach Entwürfen von Jules-Hardouin Mansart (1646-1708), dem diese Dachform ihren Namen verdankt. Einige Häuser (etwa das im Bild links) wurden im 19. Jahrhundert aufgestockt, auch wurden einige Gebäude 1883 beim Anschluss der Rue Étienne Marcél abgebrochen.
Place des Victoires. Die Häuser waren "hôtels particuliers", also Adelspalais - und einige zeigen noch die typische Form mit Ehrenhof und vorgezogenen Seitenflügeln (im Bild Mitte rechts).
Schließlich landeten wir wieder im voll besetzten "Bistrot Victoires" - die freundliche Bedienung erkannte uns sofort wieder und besorgte uns einen Tisch. Wir erklärten das "Victoires" zu unserer Stammkneipe...
...und es gab viel zu erzählen!
Bon soir et á suivre!

Text und Fotos: Heinrich Stiewe (soweit nicht anderweitig angegeben)

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