2. Juni 2018

Bauern- und Herrenhäuser in der Zentralschweiz und Herbergen am Aufgang zum Gotthard

Ortskern von Bürglen mit Wohnturm (Willhelm-Tell-Museum) und Touristenbus
Heute sind wir mit Benno Furrer im Kanton Uri unterwegs, auf dem Programm stehen mehrere stattliche Häuser von Bauern und Honoratioren mit prächtiger Ausstattung. Außerdem sehen wir einige steinerne Wohntürme aus dem Mittelalter. Am Nachmittag kommen noch eine "Sust", eine ehemalige Säumerherberge und ein historischer Gasthof am Aufgang zum Gotthardpass als "Bonusmaterial" hinzu.
Die Rundfahrt beginnt im Dorf Bürglen, wo wir die Kirche und zwei Wohnhäuser von örtlichen Herrschaftsträgern besichtigen.

Die Kirche in Bürglen ist ein Barockbau mit einem romanischen Turm. Sie liegt auf einem Hügel mit beeindruckender Aussicht ins Tal.
Blick von der Kirche in das heute dicht besiedelte Tal. Hier entstanden schon früh vielfältige Gewerbebetriebe - in der Bildmitte ein früheres Sägewerk.
Die Kirche in Bürglen ist ein prächtiger Barockbau aus der Zeit kurz vor 1700 mit einer Vierungskuppel vor dem Altarraum.
Allgegenwärtig: Wilhelm Tell - dieser zierte früher eine Brunnensäule in Altdorf.
Der Gasthof zum Adler in Bürglen ist ein großer Blockbau von 1636 - die heutige Jahreszahl "1574" im Giebel ist falsch nachgemalt.
Hinter dem Gasthof zum Adler erhebt sich ein mittelalterlicher Wohnturm, der heute als Wilhelm-Tell-Museum genutzt wird.
Ein weiterer Wohnturm in Bürglen
Auch im heutigen Hotel "Wilhelm Tell" in Bürglen, einem modernen Blockbau des 20. Jahrhunderts, blieb ein Rest eines mittelalterlichen Wohnturms erhalten: die beiden Bruchsteingeschosse in der Mitte der Fassade.


Dieses stattliche Bauernhaus in Bürglen wurde 1834/35 von dem Ratsherrn Joseph Marie Planzer erbaut. Dazu blieb ein seltener Bauakkord (Vertrag) mit dem Zimmermeister Joseph Maria Reglin von 1834 erhalten, das Haus sollte 400 Gulden kosten. Für die hölzerne Ausstattung (Stubentäfer, 3 Türen, "Gewandkasten") wurden weitere 150 Gulden vereinbart. In den 1980er Jahren hatte Benno Furrer eine Wohnung in diesem Haus gemietet.
In diesem zugehörigen Nebengebäude befand sich eine Obstbrennerei.
Die "Spielmatt" oder das "Planzerhaus" in Bürglen ist ein stattlicher Blockbau, der 1609 von einem Söldnerführer und Angehörigen der dörflichen Oberschicht erbaut wurde. Das Haus wurde sorgfältig restauriert und wir können es von innen besichtigen.
Die hölzerne Fassade des "Planzerhauses" ist mit zahlreichen "Klebdächern" versehen. Sie sind in der Zentralschweiz landschaftstypisch, gliedern die Fassade und schützen diese vor Schlagregen.
Seitenwand des Hauses Spielmatt. Unter der Laube blieben im Obergeschoss einige Fenster mit Ziehläden (vertikalen Schiebe-Fensterläden) aus der Bauzeit 1609 erhalten.
Türklopfer am Eingang des Hauses Spielmatt von 1609
Im steinernen Untergeschoss (Keller) gibt es eine frühere Trinkstube mit farbenprächtig bemalten Wänden, bezeichnet 1615.
Unter anderem ist hier ein riesiger Ochse dargestellt, der beim Bau des Hauses 1609 mitgewirkt hat.
Links sind zwei örtliche Heilige zu sehen, rechts der "Rütlischwur", mit dem die Schweizer Eidgenossenschaft 1307 begründet worden sein soll. 
Der Hausherr präsentiert uns sein qualitätvolles Weinsortiment aus eigenem Anbau.
Im Ober- und Dachgeschoss gibt es mehrere prächtig ausgestattete Stuben. In dieser Stube steht ein grüner Kachelofen mit säulenförmigem Aufsatz, der von dem Hafner (Töpfer) Heinrich Buchmann 1611/12 hergestellt wurde.
Das Bauernhaus auf der Balmermatte, einer flachen Wiese unterhalb von Bürglen, ist ein weiteres prächtiges Honoratiorenhaus von 1636, das wir besichtigen können.
Die Unterkante der Obergeschossschwelle ist mit Kielbögen, sog. Eselsrücken, verziert.
Die Unterseiten des Dachüberstandes zeigen bauzeitliche Malerei mit Beschlagwerkmustern.
Auch in diesem Haus befindet sich eine Trinkstube im Keller, die mit prächtigen Wand- und Deckenmalereien von 1633 geschmückt ist, u.a. sind lebensgroße Hirsche mit plastischen Köpfen dargestellt. In diesem passenden Ambiente machen wir unser Mittagspicknick.
Bemalte Decke in der Trinkstube im Keller
Geschmiedetes, offenes Schloss der Tür zu der Trinkstube im Keller des Hauses auf der Balmermatte.
Am Ortsausgang von Bürglen sehen wir dieses steinerne Bauernhaus, erbaut 1680 von Johannes Hartmann. Die Hofstatt liegt im "Paradies", dazu gehört ein Rebberg (Weinberg), der vermutlich seit dem 14. Jahrhundert besteht.
Kirche und Pfarrhaus (links) in Attinghausen.
Ein mächtiger Wohnturm in Attinghausen aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, genannt "Schweinsberg". Das Blockbau-Obergeschoss wurde 1485 (d) hinzugefügt.
Bauernhaus des 18. Jahrhunderts in dem kleinen Weiler Hinter-Wiler bei Erstfeld.
Dazu gehört diese Blockbauscheune. Sie ist eine der ältesten in der Region...
... sie wurde laut Jahreszahl unter der Firstpfette 1607 erbaut.
Wir besuchen mehrere interessante Gebäude im Dorf Silenen an der alten Straße zum Gotthardpass. In der Nähe der Pfarrkirche St. Albin liegt dieses mittelalterliche Steinhaus, das 1283 als "steinhus ze Silennun" urkundlich erwähnt wird. Damals übertrung Gregor von Silenen das Gebäude dem Fraumünsterkloster in Zürich.
1565 wurde das vermutlich ruinöse Steinhaus mit dem bestehenden Blockbau zu einem großen Bauernhaus ausgebaut.  
Teile der Außenmauern des mittelalterlichen Steinhauses mit diesem Rundbogenportal blieben erhalten
Wir folgen der alten Gotthardstraße in Richtung Gotthardpass - links die um 1890 angelegte Gotthardbahn. Im Dorf Silenen erhebt sich ein weiterer Wohnturm, ein sog. Meierturm, der von einem örtlichen Adligen und grundherrlichen Amtsträger ("Meier" von lat. maior, der Obere, Vorgesetzte) wohl zur Kontrolle der Straße erbaut wurde. 
Neben dem Turm steht diese Kapelle...
... die den 14 Nothelfern geweiht ist. Lebensgroße Bilder dieser Heiligen aus dem 17. Jahrhundert schmücken die seitlichen Wände.
Silenen, Blick vom "Meierturm" auf das alte Dorf, im Hintergrund verläuft die Gotthardbahn.
Die alte "Sust" in Silenen. Das stattliche Haus wurde 1549 als Säumerherberge am Weg zum Gotthardpass erbaut. Bis zum Bau der Gotthardbahn mit dem Tunnel im 19. Jahrhundert zogen hier bis zu 300 Säumer mit Pferden am Tag durch. 1940 wurde das Haus mit Unterstützung des Schweizer Heimatschutzes nach damaligen Vorstellungen restauriert - dabei wurde es um ein Stockwerk reduziert und der rückwärtige Hausteil wurde modern erneuert.
Hier können wir die original erhaltene, holzgetäferte Stube mit Specksteinofen besichtigen. Rechts ein eingebautes Büffet aus dem 16. Jahrhundert.
Anschließend lädt uns die gastfreundliche Eigentümerin zu Apfelschorle und selbstgebackenem, regionalem Gebäck ein.
Ein Nachbarhaus in Silenen, ein Blockbau von etwa 1610, steht aktuell leer und wartet auf eine angemessene neue Nutzung.
Stubenfenster mit früheren Ziehläden an der Fassaade.
Auch hier gibt es Kielbögen (Eselsrückenbögen) an der unteren Stockwerkschwelle.
Wir folgen weiter der alten Gotthardstraße nach Amsteg. Hier eine Eisenbahnbrücke der Gotthardbahn.
Das Wasserkraftwerk in Amsteg, erbaut 1917-1922 ist heute ein Industriedenkmal.
...und als Bonus am heutigen Nachmittag: Das Hotel "Stern und Post" in Amsteg war der letzte Gasthof am Aufgang zum Gotthardpass, in dem auch Reisende "besseren Standes" absteigen konnten - u.a. Johann Wolfgang Goethe auf seiner Reise nach Italien. 1789 wurde der große Gasthof nach einem Dorfbrand neu erbaut, mehrere historische Stuben blieben bis heute erhalten. Das liebevoll gepflegte Haus gehört heute zu den "Swiss Historic Hotels".
Specksteinofen von 1789, dem Baujahr des Hauses, in der linken Gaststube im Obergeschoss
In der größeren rechten Gaststube, die vollständig mit Nadelholz "getäfert" ist, befindet sich ein älterer Specksteinofen von 1604 - der älteste im Kanton Uri.
Im historischen Hotel "Stern & Post" in Amsteg beschließen wir unsere heutige Exkursion mit Kaffee und "Brischtner Nytlä", einem traditionellen Dessert aus der Region mit getrocknteten und in Rotwein eingelegten Speckbirnen und Schlagsahne. Das liebevoll geführte Hotel ist sehr zu empfehlen!

Fotos: Bernd; Texte: Heinrich

zum Tag 9   –––>

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