7. April 2019

Häuslingshaus, Heuerlingshaus, Leibzucht, Landarbeiterhaus und Mietshäuser auf dem Lande

Die Lange Straße in Hagenow, die Hauptschlagader der Stadt.
Die 31. Jahrestagung des Arbeitskreises für ländliche Hausforschung in Nordwestdeutschland und der Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V., fand vom 29.-31.3.2019 in Hagenow (Nordwest-Mecklenburg) statt.
Tagungsort war die Alte Synagoge Hagenow (Museum für Alltagskultur der Griesen Gegend, Hagenow)

Das Thema in diesem Jahr: Häuslingshaus, Heuerlingshaus, Leibzucht, Landarbeiterhaus und Mietshäuser auf dem Lande
Wohnen zur Miete und Wohnen im eigenen Haus sind rechtlich und ökonomisch sowie auch mental grundsätzliche Alternativen und ein zentrales Merkmal der Abgrenzung der wenig besitzenden bäuerlichen Schichten von den besitzlosen ländlichen Unterschichten. Im Rahmen der Tagung soll erkundet werden, wie diese Unterschiede in verschiedenen Regionen aussehen und wie sie sich im Baubestand selbst nachweisen lassen.

Organisiert wurde die Tagung vom Museum für Alltagskultur der Griesen Gegend und Alte Synagoge Hagenow, Corinna Laub

Freitag
Treffen in der Alten Synagoge Hagenow (Hagenstraße 48)

Begrüßung der Früheingetroffenen durch Henry Gawlick 
und Wolfgang Dörfler, vor der Alten Synagoge.

Stadtrundgang mit Henry Gawlick

Die Hagenstraße mit ihrer kleinteiligen Bebauung.
Die ehemalige Höhere Schule  …
… ein Backsteinbau von 1883.
Immer noch gibt es Sanierungsstau.
Lange Straße 46:
beeindruckender barockisierender Backsteinbau von 1895 …
… mit reicher Terracotta-Verzierung …
… und Medallions der Erbauer.
Hier gibts noch zu tun …
… 
Auf dem Hagenower Marktplatz …
… Henry Gawlick, der beste Kenner Hagenows erklärt seine Stadt.
Das Rathaus – aus dem Jahr 1935
Auf dem Hinterhof gibts noch spannendes Fachwerk …
Lange Straße 82, sensibel restaurierte Gartenfassade …


…  dieses Hauses mit roter wieder hergestellter Fassade nach Befund –  
viele Hagenower Bürger finden das nicht so gut, 
sie hätten lieber Sichtfachwerk.
Im Ackerbürgerhaus von 1828 befinden sich heute 
das Museum und die Hagenow-Information.
Hinter dem Museumshof gehts direkt zur Kirche. 
Der Museumshof mit den verschiedenen 
vom Museum genutzten Nebengebäuden.
Die Maschinenfabrik "Fischer und Havemann" 
im Speicher auf dem Museumshof.
Echte Fahrkarten! die der Schaffner mit der Lochzange entwertete – 
wer kennt sie noch?

Der Freitagabend-Vortrag

Am Freitagabend gab es schon drei Vorträge, 
der wichtigste war natürlich die Vorstellung der Baukultur 
der Griesen Gegend durch den Museumsleiter Henry Gawlick.

Samstag,
Tagung in der Alten Synagoge Hagenow

Die Hagenstraße mit den kleinen Häusern.
Hier liegt auf einem Hinterhof die Alte Synagoge.
Die Alte Synagoge, 1828 eröffnet, vor der Zerstörung verschon, 
2001 restauriert, ist heute Teil des Hagenower Museums.
Die Tagung in der Alten Synagoge

Die Referenten und ihre Vortragsthemen (lt. Tagungseinladung):
  • Hans-Jürgen Rach: Ein Schäferkaten in der Mark Brandenburg
  • Thomas Hauptmann M.A.: Landarbeiterhäuser des fürstlichen Gutsdorfes Liebenberg (Oberhavel)
  • Josef-Georg Pollmann: Ausgedingeverträge im Warthebruch bis 1945
  • Olaf Both M.A.: Einlieger und Witwen im Fürstentum Ratzeburg – vom Backhaus zum Arbeiterkaten
  • Dr. Wolfgang Dörfler: Häuslinge und Häuslingshäuser – woher sie kamen, wer sie waren, was aus ihnen wurde
  • Dr. Michael Schimek: Erd- und Sodenhütten der Moorkolonisten
  • Heinz Riepshoff: Häuslingshäuser, Heuerlings- häuser, Leutehäuser, Arbeiterhäuser – der Versuch einer Begriffsklärung für die früheren Grafschaften Hoya und Diepholz
  • Ralf Weber M.A.: Die Bauerntöchter haben es einen fühlen lassen, dass man nichts ist… - Über die Häuslinge im heutigen Landkreis Diepholz
  • Fred Kaspar: Die Spuren dörflicher Unterschichten (vorwiegend aus dem Fürstbistum Paderborn/Weserbergland)
Kaffeepause zwischen zwei Vortragblocks
  • Lutz Volmer: Heuerlings- und Erbpächterhäuser in der ehemaligen Grafschaft Ravensburg – östliches Westfalen
  • Dr. Heinrich Stiewe: Zieglerhäuser – Zum Hausbau von Wanderarbeitern und „Kleinen Leuten“ in Lippe
  • Dick Zweers: Rijke oogst van een armenhoef (Best, NL)
  • Thomas Wenderoth: Von Bauern und Mietern – Soziale Situation und Wohnformen der eigentumslosen Schicht in Franken in der frühen Neuzeit

Die Exkursion am Sonntag


Erster Stop in Gammelin …
… am Armenkaten vom Typ des Abseitenquerkastens,
wohl Ende 18. Jh.
Detail im Giebel
Gammelin – die alte Schmiede …
…  ist in Privatbesitz, aber voll funktionsfähig.
Alles was der Schmied braucht …
interssante Fragen – spannende Antworten.
Gammelin: Dorfkirche, Anf. 14. Jh.
Freistehender Glockenstuhl vor der Kirche. Es ist
Sonntag morgens und die Küsterin läutet zum Gottesdienst.
Vor dem Altar hängt …
… der etwas mürrisch dreinschauende Engel.
Symmerie am Pfarrhaus in Gammelin …
… das Pfarrhaus mit dem dazugehörigen Backhaus …
… und davor Luise und Lasse der Hausforscher-Hund.
Drelützow: Schloss aus dem Jahr 1735. 
Heute ein Schullandheim der Caritas,
Inschrift auf der Gartenseite, angeblich von Kloppstock um 1759.
Auch schon denkmalverdächtig …
 … sozialistische Ästhetik.
Pavillon im Schlosspark
Dorfkirche in Dreilützow:
Feldsteinbau, erste Hälfte des 14. Jahrhunderts
mit hölzernem Turm aus dem 18. Jahrhundert.
Die alte zum Treibhaus umgenutzte 500 qm große Feldsteinscheune …
… ist auch Aufenthalts- und Tagungsraum.
Das Goldenbower Herrenhaus, 1696 errichtet,
ist eines der ältesten  im Land Mecklenburg.
2009 ist das Herrenhaus aus einer Ruine wiedererstanden. 
Der zur Gutsanlage gehörige Wasserturm aus dem 19. Jh.
Die Goldenower Gutsscheune …
… hier die Traufseite, zeigt die wahre Größe.
Herrenhaus in Zühr:
der langgestrckte Fachwerkbau wurde 1720/40 erbaut.
Der Eingang desselben.
Wirtschaftsgebäude des Gutes Zühr.
In einer Katenzeile in Setzin steht dieser vierhischige Klumpkaten.
HvD 1863 steht auf der Giebelplatte
Traufseite aus Klump (Raseneisenstein).
Warlitz: Trinitatis-Kirche, 1765/68 …
… über dem Eingangsportal.
Führung in der Kirche
Warlitz: die alte Meierei …
… von 1872
Handwerlich perfekte, ästhetische Symbiose
von Klump und Backstein.
Klump mit Flinteinschluss.
Ausklang der Exkursion …
… mit einem deftigen Sauerkrautessen (mit Braten),
lecker zubereitet und serviert von der Dorfgemeinschaft.


Hinter uns liegt die schöne Tagung in Hagenow. Es war das erste Mal seit 30 Jahren, dass wir einen Ort zum zweiten Mal besucht haben – und es hat sich gelohnt. Immerhin sechs der gut 100 Teilnehmer waren auch vor 25 Jahren schon mit in Hagenow gewesen. 1994 war viel Neugierde der Nachwendezeit mit dabei und – wenn ich meine Fotos von damals ansehe – Trauer über Leerstand und Verfall. Dieses Jahr haben wir zwei moderne kulturgeschichtliche Museen, eine qualitätvoll renovierte Stadt und begeisterungsfähige Menschen erlebt. Die Pausen im sonnendurchfluteten Innenhof zwischen Synagoge und Lehrerhaus, die großen Abendbuffets im historischen Saal des „Mecki“, der nette Empfang an den Stationen unserer Exkursion, der Abschluss mit Schweinebraten aus dem Backofen und dem Orgelkonzert in der Kirche von Warlitz werden mir lebendig in Erinnerung bleiben. Unser Arbeitskreis ist so alt wie die Wiedervereinigung und nirgends empfinde ich größere Freude über die Wiedervereinigung als auf unseren Treffen.

Wolfgang Dörfler

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