19. März 2001

Auf den Spuren der Bauleute und der Artländer Bauern

12. Tagung der Haus- und Gefügeforscher in Cloppenburg
von Wolfgang Dörfler und Heinrich Stiewe

„Auf den Spuren der Bauleute” waren viele Hausforscher aus den Reihen der IGB und des Arbeitskreises für Hausforschung (AHF) sowie einige interessierte Gäste am 17. und 18. März nach Cloppenburg gekommen, um sich über „historische Bauund Ausbaugewerke” auszutauschen. Zum 12. Jahrestreffen der „Arbeitsgemeinschaft für Haus- und Gefügeforschung in Nordwestdeutschland”, die gleichzeitig Regionalgruppe des AHF und Fachgruppe der IGB ist, trafen sich 130 Personen im Museumsdorf Cloppenburg – das ist die größte Teilnehmerzahl, die eine solche Tagung bisher verzeichnen konnte. Erfreulich war auch die rege Beteiligung zahlreicher Kolleginnen und Kollegen aus der Denkmalpflege nicht nur aus Niedersachsen, sondern auch aus Brandenburg und Westfalen, von denen einige schon seit Jahren an den Treffen teilnehmen – nur die für die unmittelbare Region zuständigen Mitarbeiter der Bezirksregierung Weser-Ems waren bedauerlicherweise nicht zu sehen.

Das ganz besondere Forschungsobjekt ist immer der Büchertisch …


Schon am Freitagabend hatten sich fast 70 Teilnehmer im Museumsdorf eingefunden, wo sie von Museumsdirektor Uwe Meiners begrüßt und kompetent in die Geschichte des 1933 gegründeten Freilichtmuseums eingeführt wurden. Auf einem anschließenden Rundgang bestand Gelegenheit, das Museumsdorf kennenzulernen oder wiederzusehen – als einen faszinierenden Ort, der bei manchem die Begeisterung für alte ländliche Bauten geweckt und zu ihrer Erforschung herausgefordert hat. Auf besonderes Interesse bei den Hausforschern stieß die aktuelle Baustelle des Museums, ein 1903 erbautes Gulfhaus eines Moorkolonisten aus Firrel in Ostfriesland. Der stimmungsvolle Empfang des Museums im Flett des „Haakenhofes” mit Glühwein am offenen Herdfeuer und das anschließende Beisammensein in einer Gaststätte boten reichlich Gelegenheit zu Fachgesprächen oder einfach zum Wiedersehen mit Kollegen und Freunden.
Am Samstag (17. März), dem eigentlichen Tagungstag, war ein dicht gepacktes Programm mit drei kurzen Grußworten und 18 Vorträgen zu absolvieren, das die Teilnehmer mit bewundernswertem Durchhaltevermögen in elf Stunden bewältigten. Schon am Anfang stand der Dank der Veranstalter (IGB und AHF) an das gastgebende Museumsdorf Cloppenburg, das das Treffen durch eine ausgezeichnete Organisation bestens vorbereitet hatte.
Mit „OIKOLOG” stellte Wolfgang Rüther ein beispielhaftes Forschungsund Qualifizierungsprojekt in der Region Weser-Ems vor, das er als Volkskundler und Bauforscher leitet (s. HN 5/2000, S. 22). In einer einjährigen Weiterbildungsmaßnahme werden Architekten zur späteren Arbeit in Unteren Denkmalbehörden, in der Bauforschung oder in freien Büros mit Schwerpunkt Altbausanierung „fit gemacht”. Der Name setzt sich zusammen aus dem griechischen „oikos” für Haus und „logos” für Wissenschaft – wobei Rüther „OIKOLOG” auch als Dialog über Häuser und mit Häusern verstanden wissen will – nur im Gespräch mit allen Beteiligten lassen sich sinnvolle Konzepte für Erhaltung und Neunutzung finden und überzeugend vermitteln. Bei der Rundfahrt am folgenden Tag sollten die Teilnehmer einige interessante Beispiele für die Arbeit der „Oikologen” zu sehen bekommen, die in Zusammenarbeit mit dem Museumsdorf aktuelle Methoden und Fragen der Hausforschung auf konkrete Objekte anwenden – zum Nutzen der Denkmalpflege in der Region.

Die Vorträge
Archivalische Quellen zu Bauwesen und Bauhandwerk 



Am Vormittag standen die Themenbereiche „Spätmittelalter und Frühe Neuzeit” sowie „archivalische Quellen” im Vordergrund: 
  • Antje Sander, Leiterin des Schloßmuseums Jever, berichtete über Bauholzbeschaffung im späten Mittelalter. Aus städtischen Archivquellen (Urkunden, Rechnungen) zeichnete sie ein differenziertes Bild von der Bauholzwirtschaft im Spätmittelalter, die immer in einem Spannungsfeld zwischen nachhaltiger, schonender Waldnutzung und rücksichtsloser Waldverwüstung stand. Bauwillige Stadträte und Bürger sowie holzverbrauchende Gewerbe wie etwa die Saline in Lüneburg konnten auf stadteigene Waldressourcen zurückgreifen, aber auch Holz aus entfernten Regionen zukaufen, das vorzugsweise auf dem Wasserweg transportiert wurde.
  • Unter dem Titel „Bauen in Bommel” berichtete Gabri van Tussenbroek über seine bauhistorischen Forschungen in der niederländischen Stadt Zaltbommel. Schon für das 16. Jahrhundert konnte er eine starke Arbeitsteilung des Bauhandwerks feststellen – etwa zwischen Sägern und Zimmerleuten oder Fundamentarbeitern und Maurern, die auch durchaus unterschiedlich bezahlt wurden. Schon seit dem Spätmittelalter herrscht der Backsteinbau vor, doch erschweren nicht erhaltene ältere Holzbauteile und sich nur langsam wandelnde Ziegelformate eine exakte Datierung des älteren Baubestandes.
  • In einem anregenden Vortrag über „Baurechnungen als Quellen zum Bauhandwerk” stellte Thomas Spohn (Westfälisches Amt für Denkmalpflege, Münster) seinen Versuch vor, die vielfach in Archiven überlieferten Baurechnungen des 18. und 19. Jahrhunderts vergleichend auszuwerten. Ausgehend von bisher 37 untersuchten Bauvorgängen versuchte er verallgemeinerbare Aussagen zu Löhnen und Baukosten einzelner Gewerke im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Gebäudes zu machen – ein lohnendes Forschungsziel, das freilich durch Währungsunterschiede und oft abweichende Formen der Rechnungsführung sehr erschwert wird. Die anschließende Diskussion drehte sich um die Frage der Kosten von Fachwerkund Massivbau; nach Einschätzung von Spohn und anderen Teilnehmern war der Massivbau zwischen 10 und 30 Prozent teurer, doch ist auch hier mit erheblichen zeitlichen und regionalen Unterschieden zu rechnen.
  •  „Ausschreibung, Vergabe und Ausführung von öffentlichen Bauten des 18. Jahrhunderts im Fürstentum Hannover” waren das Thema eines spannenden Referates von Bernd Adam (Technische Hochschule Hannover). Bauarbeiten konnten im „Accord” (Werkvertrag für ein Gewerk zum Festpreis), im Tagelohn oder an sogenannte „Entrepreneurs” vergeben werden, die ganze Bauvorhaben als Generalunternehmer übernahmen und einzelne Gewerke eigenverantwortlich weitervergeben konnten. Interessant war, daß einerseits eher einfache Arbeiten (Erdaushub, Abbrucharbeiten) im Tagelohn vergeben wurden, andererseits aber auch anspruchsvolle Tätigkeiten wie das Versetzen von Steinquadern, wo es mehr auf Qualität als auf Schnelligkeit der Ausführung ankam. Auch zu Arbeitszeiten (im Winter 8,5 Stunden, in der Übergangszeit 9,5 Stunden, im Sommer 10 Stunden, in Extremfällen von 5 bis 18 Uhr), zu Richtbrauchtum und Trinkgeldern oder zur Qualifikation der Baumeister bot der Vortrag viele aufschlußreiche Einzelheiten.
  • Josef Pollmann aus Neheim-Hüsten bei Arnsberg berichtete über die gute archivalische Überlieferung zum Bau des Forsthauses Moosfelde bei Neheim (1837-1838), das im Zusammenhang mit der beginnenden preußischen Forstpolitik errichtet wurde. Vom „Verding”, der Vergabe einzelner Gewerke an den Mindestfordernden über den Bauprozeß bis zu späteren Umbauten konnte er diese Baumaßnahme präzise aus den Quellen rekonstruieren und dem erhaltenen Bestand des Forstgehöftes gegenüberstellen. 
  • Michael Schimek (Unna-Massen) stellte mit dem bautechnischen Schulwesen ein wichtiges Kapitel aus seiner Dissertation zum Bauen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Oldenburger Land vor. Die im 19. Jahrhundert aus öffentlichen und privaten Initiativen entstandenen Fortbildungsschulen für Handwerksgesellen wurden schon um 1900 von Zeitgenossen als „Meisterpressen” geschmäht, doch trugen sie zu einer Qualifizierung der Bauhandwerker bei und ersetzten die bis dahin übliche Wanderschaft der Gesellen. Zugleich wurden durch den Unterricht moderne Baustoffe und –techniken sowie überregionale Stilformen des Historismus verbreitet. Anschließend führte Michael Schimek durch die beeindruckende Ausstellung „Stein auf Stein”, die z. Zt. in Cloppenburg zu sehen ist und an deren Entstehung er maßgeblich beteiligt war. Mit aussagekräftigen Exponaten und inszenierten Baustellen werden die wesentlichen Baugewerke und –materialien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gezeigt – die Ausstellung und der ausgezeichnete Katalog seien jedem baugeschichtlich Interessierten nachdrücklich empfohlen!
Gefügeforschung und historisches Zimmererhandwerk 
Nach der Mittagspause mit einer vorzüglichen Kartoffel-Steckrübensuppe im Dorfkrug des Museums begann das dicht gedrängte Vortragsprogramm des Nachmittags, das dank der stringenten Tagungsregie des Moderators Thomas Spohn (und der Disziplin der Referenten) ohne Zeitverzug „über die Bühne ging”. Die nächsten drei Vorträge thematisierten vornehmlich gefügekundliche Aspekte des älteren ländlichen Hausbaus: 
  • Ulrich von Damaros (Quedlinburg) stellte Ergebnisse seines Forschungsprojektes zum ländlichen Hausbau der Frühen Neuzeit im Schaumburger Land vor. Neben eindrucksvollen, endrochronologisch datierten Belegen einer frühen Baukonjunktur zwischen 1540 und 1565 bot er mit einem interessanten archivalischen Fund einen möglichen Erklärungsansatz für das vieldiskutierte, plötzliche Einsetzen des erhaltenen ländlichen Baubestandes im 16. Jahrhundert: Noch 1625 berichtete ein Landpfarrer, sein altes Pfarrhaus bestünde aus eingegrabenen „Pfählen” und der Pfostenbau sei noch zu seinen Lebzeiten in den Schaumburger Dörfern weit verbreitet gewesen.
  • Am Beispiel eines Pachthofes der Burg Kakesbeck bei Lüdinghausen wies der IGBBundesvorsitzende Dietrich Maschmeyer (Recklinghausen) auf einen bisher wenig beachteten ländlichen Bautyp des westfälischen Münsterlandes hin. Während einer Abbruchdokumentation konnte er die wesentlichen Bauund Umbauphasen des 1752 erbauten Hofgebäudes klären, die besonders im Bereich des Kammerfaches von der bekannten Entwicklung in Westfalen abweichen.
  • Ulrich Klages (Heidenau) machte am Beispiel von einigen Bauten des 17. Jahrhunderts, hölzernen Glockentürmen des 16. bis 18. Jahrhunderts und einem Pfarrhaus des 19. Jahrhunderts aus der Nordheide auf einige zimmerungstechnische Besonderheiten (Kopfbänder mit verdecktem Versatz, Blattungen mit Eisenbolzen, Mansarddach) aufmerksam, die seiner Ansicht nach nicht von örtlichen Landzimmermeistern ausgeführt wurden, sondern auf die Tätigkeit von auswärtigen Spezialisten schließen lassen. Zumindest für das 17. bis 19. Jahrhundert könnte eine ergänzende Heranziehung von Archivalien (Kirchenbaurechnungen u.a.) zur Klärung der im Titel des Vortrages aufgeworfenen Frage „Wer baute es?” beitragen.
  • Am Beispiel eines ehemaligen Amtshauses aus Lindau bei Katlenburg, das 1864 zum Amtsgericht in Northeim transloziert worden ist, verdeutlichte Thomas Kellmann (Alfeld) die Wiederverwendung „gebrauchter” Bausubstanz im 19. Jahrhundert. Der erst kürzlich erfolgte Abbruch des Gebäudes provozierte einige grundsätzliche Fragen nach Durchsetzungsvermögen und Beurteilungskriterien der Denkmalpflege.
  • Ländliche Zimmereibetriebe standen im Mittelpunkt der drei folgenden Vorträge: Helmut Flohr (Hannover-Laatzen), selbst aus einer alten Zimmermeisterfamilie stammend, zeigte einige Beispiele von anspruchsvollen Fachwerkbau-Entwürfen, die im 19. Jahrhundert von ländlichen Zimmerern im Königreich Hannover als Meisterstücke verlangt wurden. Peter Barthold (Bückeburg-Cammer) stellte die ländliche Zimmerei Prange aus dem Grenzgebiet zwischen Preußen und Schaumburg-Lippe vor, deren Arbeitsschwerpunkt sich in nur zwei Generationen zwischen etwa 1860 und 1920 vom traditionellen Fachwerkbau über Hallenhäuser mit Backsteinaußenwänden zu modernen Wohnund Gewerbebauten im Einflußbereich der schnell wachsenden Stadt Minden verlagerte.
  • Mit der Zimmermeisterfamilie Obertopp aus Reelkirchen bei Blomberg (Lippe) stellte Heinrich Stiewe (Wellentrup/Detmold) eine ländliche „Zimmermannsdynastie” mit einer zweihundertjährigen Tradition vor, die vom 18. bis ins 20. Jahrhundert andauerte. Die meisten ländlichen Fachwerkbauten in Lippe lassen sich durch Monogramme oder Namensinschriften bestimmten Zimmermeistern zuordnen, zeigen darüber hinaus aber nur geringe individuelle Gestaltungsspielräume der ausführenden Meister. Im späten 19. Jahrhundert erweiterten viele Landzimmereien ihre Tätigkeit auf nahezu alle holzverarbeitenden Gewerbe wie Bauund Möbeltischlerei, Stellmacherei und nicht zuletzt das Bestattungswesen.

Historische Haustechnik
In einer letzten Sektion wurden schließlich unterschiedliche Aspekte der „technischen Infrastruktur” ländlicher und kleinstädtischer Gebäude vorgestellt:
  • Heinz Riepshoff (Verden) zeigte die vielfältigen Formen des „Füerrähms” in den schornsteinlosen Rauchhäusern der Grafschaft Hoya; dabei war das plötzliche Auftreten von besonders aufwendigen Stücken mit Pferdeköpfen und Renaissance-Fächerrosetten im frühen 18. Jahrhundert ein besonders auffälliges und im Hinblick auf die Verbreitung dieser Schmuckformen kontrovers diskutiertes Phänomen.
  • Ludwig Fischer (Ottersberg) berichtete sehr lebendig über seine Erfahrungen bei der Bergung und Translozierung einer 1779 datierten, ornamentalen Flettpflasterung aus Weserkieseln.
  • Interessante Funde und Befunde zum Töpfereiwesen der Kleinstadt Münder am Deister und insbesondere zu Bau und Gestaltung von Kachelöfen seit dem 16. Jahrhundert wurden anschließend von Michael Meier (Bad Münder) vorgestellt; in mehreren Fällen gelang hier die Rekonstruktion ganzer Kachelöfen.
  • Zum Abschluß hielt Wolfgang Dörfler (Gyhum-Hesedorf) einen lebendigen Vortrag über „die Wasserversorgung des Bauernhofes” – ausgehend von eigenen Erfahrungen bei der Freilegung eines Brunnens und der Reparatur einer Wasserpumpe erläuterte er unterschiedliche, z.T. archäologisch untersuchte Bauformen von Brunnen und verdeutlichte den enormen Fortschritt, den die Einführung der Saugpumpe im 19. Jahrhundert für die tägliche Wasserversorgung in Haus und Stall bedeutete.
Gegen Ende des langen Vortragstages kam es zu einer lebhaften Diskussion über Auslöser, Vorbilder und Verbreitung von technologischen und künstlerischen Innovationen im Hausbau. Auf die Bedeutung der Gesellenwanderung von Handwerkern für diesen „Technologietransfer” wurde mehrfach hingewiesen, doch gab Ulrich Klein (Marburg) zu bedenken, daß es „regionale Übereinkünfte” gegeben habe, denen sich ein Handwerker unterordnen mußte – „wo er arbeitete, mußte er sich (den örtlichen Gepflogenheiten) anpassen”. Henry Gawlick (Hagenow) wandte sich gegen die überholte Deutung von Volkskunstmotiven an Häusern oder Möbeln als uralte heidnische „Sinnbilder” und verwies auf eine verbreitete agrarisch-handwerkliche „Hochkonjunktur”, die in vielen ländlichen Regionen zur Entstehung einer reichen „Volkskunst” seit dem 18. Jahrhundert geführt habe.


Zukünftige Tagungen
Die kommenden Tagungen der Arbeitsgemeinschaft für Hausund Gefügeforschung sollen voraussichtlich 2002 ins Schaumburger Land, 2003 in die Region Braunschweig/Wolfenbüttel und danach ins westfälische Münsterland oder nach Brandenburg führen. Auch an künftigen Tagungsthemen herrscht kein Mangel: „Flett, Küche und Flur” (Lk. Schaumburg), „Bauformen im Grenzgebiet zwischen Hallenhaus und mitteldeutscher Bauweise” (Braunschweig/Wolfenbüttel), „Farbigkeit am und im Haus” sowie „Innenausstattungen” wurden vorgeschlagen. 
Die erfolgreiche Veranstaltung in Cloppenburg spricht für ein nach wie vor wachsendes Interesse an der ländlichen Hausund Gefugeforschung – dem auch in den kommenden Jahren mit spannenden Tagungen in vielversprechenden Regionen Rechnung getragen werden soll.


Die Tagungsexkursion

Exkursion nach Südoldenburg und ins Osnabrücker Artland Ein klassisches und gut erforschtes Beispiel einer solchen „Volkskunstregion” bekamen die gut 100 verbliebenen Tagungsteilnehmer am folgenden Exkursionstag (Sonntag, 18. März) geboten, der von Südoldenburg in das Osnabrücker Artland führte. Unter der kompetenten Leitung von Volker Gläntzer (Landesamt für Denkmalpflege, Hannover) und Wolfgang Rüther wurde diese fruchtbare Agrarlandschaft nördlich von Osnabrück vorgestellt, die im 18. Jahrhundert eine überdurchschnittlich reiche bäuerliche Bauund Wohnkultur hervorgebracht hatte – das wohl berühmteste Beispiel ist die 1971-75 im Museumsdorf Cloppenburg wiederaufgebaute Hofanlage „Wehlburg” (1750-1888). Das Artland besteht aus fruchtbarem Schwemmland beiderseits des Flüßchens Hase mit der Stadt Quakenbrück und den drei protestantischen Kirchspielen Badbergen, Gehrde und Menslage; es ist von überwiegend katholischen Gebieten umgeben. Diese „Insellage” in Verbindung mit bäuerlichem Wohlstand führte zur Ausprägung eines spezifischen regionalen Selbstbewußtseins und einer eigenen kulturellen Identität der Bewohner dieser Landschaft.

zweischiffiges Wohn-Wirtschaftsgebäude von 1783 in dem Kirchspielort Essen im südlichen Oldenburger Land …

… dessen Wohnteil um 1866 zu einer gewerblichen Räucherei umgebaut wurde, ein seltenes Zeugnis für die Anfänge der heutigen „Fleischveredelungswirtschaft” in Südoldenburg …
… hier gelang es den „Oikologen” um Wolfgang Rüther nicht nur, Datierung und Baugeschichte zu klären …
… sondern auch den örtlichen Heimatverein von einem behutsamen und substanzschonenden Restaurierungskonzept zu überzeugen …
Details Radabweiser an der Grotdör
Auf dem Vollerbenhof Meyer zu Bergfeld (heute Brunswinkel) in Grothe …

Das 1739 errichtete Gebäude gilt als frühester Vierständerbau des Artlandes. Der vorgelagerte Wirtschaftshof (mundartlich „vaolt”) wird von zwei 1733 bzw. 1868/1937 datierten Scheunen flankiert und zur Straße durch einen Plankenzaun mit einem reizvollen Torhäuschen von 1738 abgeschlossen. In der Nähe des Wohnteils stehen ein Speicher von 1747 und ein früheres Backhaus von 1820. 



beeindruckte das monumentale Haupthaus mit vierfach vorkragendem Knaggengiebel und Backsteinziersetzungen. 
"Dis Hauß stehet in Gottes Handt
das er es bewahr für Krieg und Brandt"
Inschriften – geritzt und gemauert …

Speicher von 1747

In Wulften wurde der Vollerbe Roeßmann mit einem Zweiständer-Haupthaus von 1753 (Umbau des Wohnteils 1822) und zahlreichen Nebengebäuden besichtigt. 
Tür am Speicher auf dem Hof Roeßmann




Auf dem früheren Vollerbenhof Bracke in Grönloh steht ein großer Zweiständerbau von 1690(d), der 1741 am Dielenteil verlängert wurde (jetziger innerer Torbogen) und dem noch 1817 ein repräsentativer (und veralteter) Knaggengiebel vorgebaut wurde; gleichzeitig wurde das Kammerfach unter Wiederverwendung des alten Wohngiebels verlängert. Auch hier bilden eine 1885 verlängerte Scheune von 1793, eine Torscheune mit Stall von 1888 und ein Wagenschauer von 1889 eine großzügige, vierseitig geschlossene Hofanlage. Ein Speicher von 1663 wurde leider noch vor wenigen Jahren abgebrochen – bevor die jetzigen Besitzer den Hof erwerben und mit einer langsamen und behutsamen Restaurierung beginnen konnten. 





Speicher

Backhaus

Auf dem früheren Vollerbenhof Bracke in Grönloh (Abb. S. 19) steht ein großer Zweiständerbau von 1690(d), der 1741 am Dielenteil verlängert wurde (jetziger innerer Torbogen) und dem noch 1817 ein repräsentativer (und veralteter) Knaggengiebel vorgebaut wurde; gleichzeitig wurde das Kammerfach unter Wiederverwendung des alten Wohngiebels verlängert. Auch hier bilden eine 1885 verlängerte Scheune von 1793, eine Torscheune mit Stall von 1888 und ein Wagenschauer von 1889 eine großzügige, vierseitig geschlossene Hofanlage. Ein Speicher von 1663 wurde leider noch vor wenigen Jahren abgebrochen – bevor die jetzigen Besitzer den Hof erwerben und mit einer langsamen und behutsamen Restaurierung beginnen konnten. 











Der folgende frühere Hof Kleine Wollermann (heute Budke) war ein Markkötter, also ein „Spätsiedler”, der wohl im 15. Jahrhundert auf der Gemeinen Mark, den genossenschaftlich genutzten Hudeflächen der „Altsiedler” der Bauerschaft Grönloh entstanden war. Trotz seiner geringeren Erbesqualität und Größe steht dieser Hof in seinem Baubestand den zuvor besuchten Vollerben kaum nach: Das noch teilweise reetgedeckte Haupthaus ist ein Zweiständerbau von 1584, der 1753 verlängert und mit dem obligatorischen Knaggengiebel ausgestattet worden ist. Der Rückgiebel blieb im Zustand des 16./17. Jahrhunderts erhalten 






Ein noch undatierter, aber wohl ebenfalls aus dem 16. oder 17. Jahrhundert stammender Speicher mit Hochrähmgefüge und durchgezapften Ankerbalken sowie einigen alten Fenstern erregte das besondere Interesse der Gefügeforscher. 
sehr altes Fenster
Zum Abschluß wurde – wieder im Oldenburger Münsterland – noch ein dörflicher Zweiständerbau von 1577 in Dinklage besichtigt, der bei einem Umbau 1793(d) um drei Gebinde verkürzt wurde und ein neues Flett und Kammerfach erhielt. 
Dielenbesichtigung
1577 im Torbogen

1 Kommentar:

  1. Kann jemand helfen? Bei Bezzenberger .
    "Über das litauische Haus. Ein Versuch;" Altpreussische Monatsschrift neue Folge, 23. Band, Königsberg 1886. habe ich den folgenden Satz gefunden:
    "Die Wohnhäuser der Litauer waren aus übereinandergelegten ganzen Baustämmen – in geersass – erbaut und enthielten nur ein Zimmer auf dem einen Ende des Hauses."
    Was ist "geersass".
    Mit freundlichen Grüssen
    Jürg Gabathuler, Zürich
    gabapm@ggaweb.ch

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