26. Februar 2013

Historischer Wetter- und Brandschutz am Fachwerkbau


Bericht über die 24. Tagung des Arbeitskreises für ländliche Hausforschung in Nordwestdeutschland vom 20. bis 22. April 2012 in Clausthal-Zellerfeld (Oberharz)

Erstes Treffen am Freitag Nachmittag vor dem Hotel "Goldene Krone" in Clausthal. Der seit 1690 bestehende Gasthof wurde bei den Stadtbränden von 1725 und 1844 zerstört. Der heutige klassizistische Bau mit typischem "Harzer Holzbeschlag" und Schiebefenstern entstand nach 1844 und wurde 1992 restauriert.
Obwohl unsere nordwestdeutschen Hausforschertreffen traditionell in der „laubfreien“ Zeit des Vorfrühlings stattfinden, um die Gebäude besser sehen und fotografieren zu können, hatten wir uns 2012 auf Anraten unserer Tagungsleiterin Anja Schmid-Engbrodt für einen späten Termin im April entschieden, um dem spät-winterlichen „Reizklima“ des Oberharzes etwas aus dem Weg zu gehen. Das Wetter war dennoch so kalt, dass den 82 Teilnehmern Wärmedämmung und Wetterschutz als Tagungsthema absolut nachvollziehbar erscheinen musste - ganz unabhängig von aktuellen Bezügen. Vielfältige Formen von Dach- und Wandverkleidungen aus Holzschindeln oder Schiefer und der "Harzer Hausbeschlag", eine seit Anfang des 19. Jahrhunderts verbreitete Verkleidung aus horizontalen Holzbohlen, die oft quader-imitierende Nuten aufweisen, prägen bis heute die Ortsbilder im Oberharz.
Historische Brandschutzmaßnahmen, oft ebenfalls in Form von Verkleidungen und Dachdeckungen, bildeten eine sinnvolle Ergänzung des Tagungsthemas.
Thomas Spohn managt die Anmeldeformalitäten der Tagung.
Die Tagung begann am Freitag, 20. April, um 16 Uhr mit einer Besichtigung der früheren Bergstadt (gemeint ist: Bergbaustadt) Clausthal mit historischen Bauten seiner Technischen Universität, die 1968 aus der alten, 1775 gegründeten Berg(bau)akademie hervorgegangen ist. Besonders eindrucksvoll ist die "Aula Academica", ein großer Fachwerkbau der Zeit um 1927 mit neobarocker Holzfassade und einem imposanten expressionistischen Kuppelsaal.

"Aula Academica" der TU Clausthal, …
… ein neubarocker Holzbau von etwa 1925.
Expressionistischer Kuppelsaal der "Aula Academica", um 1925. 
Das Stadtbild von Clausthal wird bis heute von holzverkleideten Traufenhäusern der Bergbeamten und Bergleute geprägt; zwei Beispiele (Klepperberg 4, 1845 und Sägemüllerstraße 29, nach 1725, aufgestockt um 1850 und um 1900) konnten wir besichtigen - in Begleitung von Restaurator Bernd Gisevius und Hans-Günther Griep aus Goslar, dem "Altmeister" der Oberharzer Hausforschung.
Das Straßenbild in Clausthal-Zellerfeld wird von Traufenhäusern mit Holzverkleidung geprägt, die überwiegend von Bergleuten bewohnt wurden.
Haus eines Bergbeamten in Clausthal, Klepperberg 4. Der klassizistische Bau mit Holzbeschlag wurde nach dem Stadtbrand von 1845 erbaut.



Ansichten in Clausthal-Zellerfeld



Im restaurierten Privathaus des Restaurators Bernd Gisevius
Terrazzofußboden
Der Blick in den Garten desselben
Markante Großbauten im Zentrum von Clausthal sind die in den letzten Jahren aufwändig restaurierte Marktkirche zum Heiligen Geist (1634 - 42), die größte Holzkirche Deutschlands, und das barocke Amtshaus, erbaut 1725 - 31 von Architekt Reetz (Hannover). Der große, dreiflügelige Bau erhielt 1730 erstmals "englische" Schiebefenster, die sich in der folgenden Zeit im Oberharz verbreiteten. Bernd Adam berichtete über die zeitgenössichen Diskussionen um den Bau dieses Gebäudes (s. unten).

Die Marktkirche in Clausthal, erbaut 1634 - 42, ist die größte Holzkirche in Deutschland und wurde in den letzten Jahren aufwändig restauriert. 
Abends trafen sich alle Teilnehmer im „Glück-Auf-Saal“ in Clausthal (An der Marktkirche 7) zum gemeinsamen Essen. Hier begrüßte uns Wolfgang Mönkemeyer, der Bürgermeister der Stadt Clausthal-Zellerfeld, die erst 1924 durch den Zusammenschluss der beiden Bergstädte Clausthal und Zellerfeld entstanden ist.
Treffen der Tagungsteilnehmer im historischen "Glück-Auf-Saal", einem Emporensaal von 1890.
Der Glück-Auf-Saal ist 1890 als großer Emporensaal einer Gaststätte im Stil des Historismus erbaut und nach langem Leerstand 1995 restauriert worden. In großer Runde in diesem schönen Ambiente sitzend wurde uns bewusst, was seit nunmehr fast 25 Jahren auch ein wichtiger Anlass unserer Treffen ist – das Zusammenkommen und Miteinanderreden in interessanten Räumen. Nach dem Essen wurden die Teilnehmer mit zwei Abendvorträgen in Tagungsort und -region eingeführt: Der Restaurator Bernd Gisevius gab einen Überblick zur Baugeschichte der Bergstädte Clausthal und Zellerfeld und der Leiter des Bergarchivs Clausthal, Wolfgang Lampe informierte über "Das Zellerfelder Bergarchiv als Quelle zur Fragen der Haus- und Bauforschung".

Ungewöhnlich war der Tagungsort am Sonnabend: 
Für unseren Vortragstag standen uns die modernen Räume der Firma Sympatec - System-Partikel-Technik GmbH - zur Verfügung. Das Unternehmen ist weltweit führend in der Entwicklung und Produktion von Geräten zur Partikeltechnologie (Pulveranalyse), wie sie u.a. in der Pharma-, Farben- und Metallindustrie gebraucht werden. Geschäftsführer Dr. Stephan Röthele begrüßte die Teilnehmer und erläuterte einige Produkte seines Unternehmens, die in enger Kooperation mit der TU Clausthal-Zellerfeld entwickelt werden. Das moderne Forschungs- und Fabrikationsgebäude, das sogenannte Pulverhaus, wurde 2004 nach umfangreicher Altlastensanierung auf dem Gelände der früheren Gruben Caroline und Dorothea, der ehemals reichsten Erzbergwerke im Oberharz, errichtet.

Ein historisches Pulverhäuschen, zwei "Lochsteine" (Grenzsteine zwischen Grubenfeldern) von 1710 und 1715, ein Feuerlöschteich und das benachbarte Zechenhaus aus dem 18. Jahrhundert sind erhalten und verbinden so die Oberharzer Bergbautradition mit moderner Hochtechnologie. Die Firma Sympatec hatte die Tagungsräume kostenlos zur Verfügung gestellt, wofür wir ihr zu Dank verpflichtet sind.
Hightech auf historischem Boden: Unser Tagungsort, das moderne "Pulverhaus" der Firma Sympatec, wurde 2004 auf dem Gelände der alten Erzgruben Caroline und Dorothea errichtet.

Dieser "Lochstein" von 1715 markierte die Grenze zwischen den Grubenfeldern "Caroline" und "Neue Benedicte".
Das alte Pulverhäuschen der Gruben, in dem Sprengstoff gelagert wurde.
Die 14 Vorträge 
des Tagungstages forderten wieder einmal ein erhebliches Durchhaltevermögen der Teilnehmer.
  • Einleitend referierte Anja Schmid-Engbrodt, die auch für die ausgezeichnete Tagungsorganisation verantwortlich war, über "Beschläge und Behänge an Fassaden im Oberharz" - ein Thema, über das sie seit vielen Jahren geforscht und publiziert hat. Die Fachwerkhäuser des Oberharzes wurden bis ins 18. Jahrhundert mit Kanthölzern "ausgeblockt" später vor allem mit Lehm-, Ziegel-, Grauwacke- oder Schlackesteinen ausgemauert, was einen Fassadenbehang zum Schutz vor dem rauen Gebirgsklima mit intensiven Regen- und Schneefällen erforderlich machte.
    Die Vielfalt der Materialien und damit des Erscheinungsbildes in ihrer zeitlichen Staffelung war ein Hauptthema des Vortrags. Für 1749 ist zum Beispiel das Vorkommen „gemischter Dächer“ belegt, mit Ziegeldeckung auf der Straßenseite und Holzschindeln zum Hof. Ein recht hoher Anteil von Gebäuden war mit Solling-Dachsteinen gedeckt, die beim Export von Bergbauprodukten als Rückfracht von der Weser mitgebracht wurden. Interessant war auch der Nachweis des häufigen Vorkommens von alten Unterdächern aus zwei bis drei Lagen Nutschindeln unter Pfannendächern. „Vor dem Hintergrund von Maßnahmen des Brand- und Wetterschutzes sowie der Repräsentation stellt sich hier (beim Fassadenbehang und den Dachdeckungen) entgegen einer vermeintlich prägenden Einheitlichkeit, eine auffallende Divergenz dar“, war das Resümee der Autorin. 
  • Thomas Spohn hielt sich mit seinem Vortrag "Noch 'n Mittelgebirge: Wandverkleidungen im südlichen Westfalen (Sauer-, Sieger- und Wittgensteiner Land)" eng an das vorgegebene Thema. In der traditionellen Architektur der südwestfälischen Mittelgebirge beobachtete er an älteren Gebäuden vor allem Bekleidungen mit "weichen" Materialien von Stroh und Ginster über Holzschindeln und Verbretterungen bis zu Lehmschindeln. Zunächst aber wurden nur wenige Häuser und oft nur einzelne Wände mit Verkleidungen geschützt - oft beschränkten sich diese auf Wetterseiten oder die äußeren Erdgeschossbrüstungen von Fachwerkbauten.
    Erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde das allseitige "Einpacken" der Gebäude mit Holzbeschlag in "Nachahmung des Harzes", Schiefer oder geprägten Blechplatten obligatorisch. Das legt die Annahme nahe, dass ein verbessertes Wohnklima ein wichtigerer Grund zur Anbringung der Verkleidungen war als der Schutz der Baukonstruktion - eine interessante Analogie zur heutigen "Wärmedämmungseuphorie". Interessante Details waren die um 45° zur Firstlinie gedrehten Schornsteinköpfe der Häuser und das verbreitete Vorkommen von feuerschützenden Fußbodenaufbauten aus Lehmestrich oder Lehmsteinen in Obergeschossräumen, die „Ollern“ genannt wurden. 
  • Bernd Adam berichtete in einem thematisch wie regional sehr treffsicheren Vortrag von der "Suche nach wetterbeständigen Baumaterialien und Konstruktionen" und den daraus folgenden "Abwägungen bei der Errichtung des Oberbergamtshauses in Clausthal 1725-1731". Bei ausgezeichneter Schriftquellenlage zu dem nach dem Stadtbrand von 1725 neu errichteten Amtshaus ließ er uns an den spannenden Diskussionen des frühen 18. Jahrhunderts teilhaben. Auf den alten Fundamenten des Vorgängerbaus wurde unter Wiederverwendung der massiven Seitenflügel (EG) ein schlossartiges Gebäude geplant. Da bekannt war, dass im feuchten und frostigen Klima des Oberharzes Ziegel wegen schneller Abplatzungen ungeeignet waren, wurde der Fachwerkbau mit „Duckstein“ ausgefacht, einem natürlichen Kalk-Tuffstein, der unter Lufteinfluss nachhärtet. Der Putz erfolgte mit Zusatz von „Hammerschlag“ genannten Eisenplättchen.
    Spannend waren die Diskussionen um das Dachmaterial: Zur Auswahl standen Schiefer, glasierte Ziegel oder Sollingsteine von der Weser. Man entschied sich für letztere, weil sie im Gegensatz zu Schiefer kein eigenes hölzernes Unterdach benötigten und damit billiger waren. Später wurden die Sollingplatten durch Falzziegel ersetzt und seit der letzten Renovierung ist der Bau mit Schiefer gedeckt. Die erste Wandverkleidung wurde an den Wetterseiten 1731 in Schiefer ausgeführt. 1843/44 wurden die Schaufassaden durch den "Harzer Hausbeschlag", die bis heute erhaltene Außenverbretterung mit Quadermuster ersetzt, die vor der restauratorischen Fassadensanierung Anfang der 1990er Jahre altrosa gefasst und nun nach restauratorischen Befund ockergelb gefasst wurde. 
  • Über die sich lange Jahre hinziehende Renovierungsarbeiten an der größten Holzkirche Deutschlands, der Marktkirche in Clausthal, informierte uns Bernd Gisevius. Die technischen Probleme in dem großen Dach ergaben sich u.a. aus den dort verbauten drei unterschiedlichen Dachstühlen, dem Klima (mit den großen Schneelasten) und dem 1982 aufgebrachten untauglichen Bleidach, das schon 2005 komplett erneuert werden musste. Als wesentliche Schadensursache an der Dachkonstruktion hatte sich außerdem die Übertragung der Glockenschwingungen aus dem Turm erwiesen. Beim Bau war zu wenig Schwingungsfreiheit des Turms gegenüber dem Hauptgebäude eingeplant worden. 2007 wurde der komplette Turm abgetragen und neu errichtet.
    Den Schädlingsbefall an den Hölzern hofft man durch den Einbau von speziellen Lüftungsgittern zu beherrschen, deren Lochgröße den Einflug des Holzbockmännchens erlaubt, die größeren Weibchen aber aussperrt. Ob diese „frauenfeindliche“ Lösung Erfolg haben wird, ist aber noch nicht abzusehen. 
  • Der Archäologe W. Haio Zimmermann gab einen umfassenden Überblick zu "Wandverkleidungen mit Reith und Stroh von der Urgeschichte bis zur frühen Neuzeit". Er zeigte seltene archäologische Befunde zu Wandverkleidungen zum Wetterschutz an prähistorischen Häusern, z.B. aus Stroh oder Schilf. Er berichtete detailliert von heute vergessenen Materialien wie Schilfzäunen zur Grundstückseinfriedung, Schilfbehängen an Lehmwänden und Schilfmatten zum „Besticken“ der Deichfüße, die möglicherweise nur im Winter aufgebracht wurden sowie von Strohmatten als provisorische Wetterschutz-Abdeckung von Kalk- und Feldbrandöfen oder Schilfzäunen als Versteck bei der winterlichen „Polljagd“ auf Enten. Zimmermann illustrierte seine Befunde mit zahlreichen eindrucksvollen Abbildungsbelegen aus Gemälden vor allem niederländischer und flämischer Maler des 16. und 17. Jahrhunderts. 
  • Der Hausforscher, Fachwerkrestaurator und Architekt Hans-Joachim Turner erläuterte am Beispiel eines Treppenspeichers von 1531(d) aus Fallingbostel die in der Lüneburger Heide vorkommende Ständerbohlenbauweise. Dabei handelt es sich um eine reine Holzbauweise aus Fachwerk, das mit eingenuteten, etwa 3 cm dicken Holzbohlen bzw. -brettern verschlossen ist. In dem frühen Beispiel von 1531 sind die Bohlen mit „Keilnuten“ (dreieckigen, mit dem Beil eingearbeiteten Nuten) und entsprechend zugespitzten Federn untereinander und mit dem tragenden Fachwerkgerüst verbunden. Nuten in den Giebelständern bildeten einen dichten Anschluss der Bohlen und eine spitz zulaufende Mittelbohle diente zum Verkeilen der Holzwände.
    Turner ordnete diese riegellose Bauweise mit weiten Ständerabständen noch der mittelalterlichen Stabbauweise zu. Bei einem zweiten Beispiel aus Hornbostel-Wietze (Landkreis Celle) waren die Bohlen nicht mehr mit Keilnuten, sondern mit rechteckigen Nuten und loser Feder zusammengefügt. 
  • Nach der Mittagspause diskutierte der Bauforscher Frank Högg am Beispiel von ihm untersuchter spätmittelalterlicher Bohlenstuben aus Nordhausen und dem Ostharz die Frage, inwieweit bei ihrer Anlage Wärmedämmung eine Rolle spielte. Sicherlich bedeuteten diese hölzernen, mit einem Kachelofen beheizbaren Stubeneinbauten in Stein- und Fachwerkhäusern eine gewisse Behaglichkeit, doch entsprechen sie keineswegs heutigen Anforderungen an eine Wärmedämmung - bei Sanierungen muss hier in denkmalverträglicher Weise nachgebessert werden. 
  • Anschließend stellte der Technische Leiter des Oberharzer Bergwerksmuseums Clausthal-Zellerfeld, Ulrich Reiff, an einem praktischen Beispiel aus Clausthal-Zellerfeld die Erhaltung einer historischen Aufputzmalerei bei der aktuellen energetischen Sanierung eines Gebäudes mit "Harzer Holzbeschlag" aus dem 19. Jahrhundert vor. 
  • In einem weiteren, auf die heutige Umbau- und Sanierungspraxis bezogenen Praxisreferat stellte der Architekt Stefan Haar "Bauphysikalische Aspekte der Wärmedämmung am Fachwerkbau" vor und diskutierte insbesondere die Vor- und Nachteile von Außen- und Innendämmung an historischen Fachwerkbauten - das wäre ein aktuelles und wichtiges Thema für einen eigenen Beitrag im "Holznagel". 
Kaffeepause 
Die letzte Sektion der Tagung nach der Kaffeepause widmete sich dem Thema "historischer Brandschutz". 
  • Josef G. Pollmann stellte mit dem Haus Falke aus Arnsberg im Sauerland ein altes, möglicherweise spätmittelaterliches Gebäude vor, das 1847 einem Stadtbrand zum Opfer fiel und schon 1808 in einem Gutachten eines hessischen Regierungsbeamten als höchst brandgefährlich eingestuft worden war. Außerdem enthält das Gutachten interessante Hinweise zu den Wohnverhältnissen in dem damals schon nicht mehr zeitgemäßen Haus. 
  • Mit dem Sinn oder Unsinn von Blitzschutzanlagen hatte Wolfgang Dörfler eine Frage aufgegriffen, die ihn als Besitzer eines reetgedeckten Bauernhauses seit langem bewegte. Er begann mit einem Rückblick auf die Entdeckung der elektrischen Natur von Blitzen und der blitzableitenden Wirkung von geerdeten langen Eisenstangen, u.a. durch Benjamin Franklin. Weiter referierte Dörfler die überschwängliche Empfehlung von Blitzableitern in der Bauliteratur des 19. Jahrhunderts und relativierte diese kritisch anhand von zeitgenössischen Versicherungsstatistiken. So kam er zu dem Ergebnis, dass Blitzableiter zwar für Kirchtürme und andere hohe Gebäude von großem Nutzen seien - während er anhand von zahlreichen Statistiken bei normalen ländlichen Gebäuden nur eine geringe Blitzschlaggefährdung und damit die ökonomische Unsinnigkeit solcher Anlagen wahrscheinlich machen konnte. So entschied er für sich, sein eigenes Haus nicht mit einem Blitzableiter zu versehen. 
  • Die letzten drei Vorträge der Sektion "Brandschutz" wandten sich nochmals der Tagungsregion Oberharz zu: Friedrich Balck berichtete über Wasserversorgung und Feuerschutz in Clausthal und Zellerfeld. Aufgrund der Lage der Erzgänge waren die beiden Bergstädte auf einer eher siedlungsfeindlichen Hochfläche ohne natürliche Fließgewässer angelegt worden. Das benötigte Wasser zum Antrieb von Förderanlagen und Pumpen ("Wasser hebt Wasser"), aber auch zur Versorgung der Bevölkerung und nicht zuletzt zum Feuerschutz, musste als Niederschlagswasser aufgefangen und durch ein kunstvoll angelegtes System von Gräben, Leitungen und Teichen herangeschafft werden. Diese heute noch erhaltenen Anlagen werden als "Oberharzer Wasserwirtschaft" bezeichnet; sie sind seit 1978 als technische Denkmäler eingetragen und wurden 2010 ergänzend zum Bergwerk Rammelsberg und der Altstadt Goslar in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. 
  • Johannes Laufer berichtete über die zahlreichen Stadtbrände im Oberharz (z.B. in Clausthal 1634, 1725, 1844 und 1854) und ihre Auswirkungen auf den Hausbau. So wurden von den Behörden im 19. Jahrhundert statt der traditionellen Holzschindeldächer feuersichere Ziegeldächer vorgeschrieben, die sich aber viele Hausbesitzer, die zumeist Bergleute waren, nicht leisten konnten. 
  • Diesen Brandschutzvorschriften im Oberharz widmete sich auch der letzte Vortrag von Helge Th. Frank unter der bis heute aktuellen Fragestellung "obrigkeitliche Gängelung oder werteerhaltender Segen?" Anhand von Akten aus dem Archiv der Samtgemeinde Oberharz diskutierte der Historiker das "spannungsgeladene Verhältnis zwischen Einwohnern bzw. Hausbesitzern (und) städtischer und staatlicher Obrigkeit".
Die Exkursion
Das Exkursionsprogramm vom Sonntag (22. April) führte uns zunächst zu Fuß durch den Ortsteil Zellerfeld mit eindrucksvollen Häusern des 17. bis 19. Jahrhunderts. Die Stadt Zellerfeld war nach einem Stadtbrand 1672 auf einem regelmäßigen barocken Rastergrundriss wiederaufgebaut worden. Wir besichtigten das 1673 vom Oberbergmeister Daniel Flach erbaute "Dietzelhaus" (Bergstr. 31, heute Fremdenverkehrsbüro und Museum) und die zeitgleich errichtete "Bergapotheke" (Bornhardtstr. 12), die bis heute als Apotheke genutzt wird. Die beiden stattlichen Fachwerkbauten mit barocker Knorpelstildekoration wurden teilweise bereits im 17. Jh. und später vollständig mit senkrechtem Holzbeschlag verkleidet. Sichtbar blieben das prächtige Portal des Dietzelhauses mit einer Dekoration aus Mineralien und geschnitzte "Fratzen" auf den Balkenköpfen der Apotheke. Beeindruckend ist die erhaltene Innenausstattung der beiden Gebäude: Stuckbalkendecken mit halbplastischen allegorischen Figuren, bemalte Türen, prächtige Kamine und die originale, bis heute genutzte Apothekeneinrichtung des 18. Jahrhunderts.

Vor der Bergapotheke in Zellerfeld, erbaut nach 1672.



Die Tagungsteilnehmer im Hausflur der Bergapotheke.

"Allegorienzimmer" in der Bergapotheke. Die barocke Stuckbalkendecke zeigt halbplastische Jagdszenen und allegorische Figuren.


Denkmalschild an der Apotheke

Das "Dietzelhaus" in Zellerfeld, erbaut 1673 von Oberbergmeister Daniel Flach.

Portal des Dietzelhauses von 1673. Über dem Torbogen befindet sich ein Relief aus Mineralien, die beim Bergbau gefunden wurden.
Saal im Obergeschoss des Dietzelhauses mit allegorischer Stuckbalkendecke.


Detail der Stuckdecke im Dietzelhaus.
In einem ehemaligen Bürgerhaus (Bornhardtstr. 16) befindet sich das Oberharzer Bergwerksmuseum, das mit eindrucksvollen Modellen von historischen Förderanlagen, Originalexponaten und translozierten bzw. nachgebauten Schachtanlagen auf dem Rückgrundstück die gut 1.000-jährige Geschichte des Oberharzer Bergbaus dokumentiert.
Oberharzer Bergwerksmuseum in Zellerfeld. Das spätbarocke Bürgerhaus (18. Jahrhundert) ist mit Schiefer verkleidet. Befremdlich wirken die Kunststofffenster in dem historisch bedeutenden Gebäude, das immerhin zum UNESCO-Welterbe gehört.
Modell eines "Gaipels" im Bergwerksmuseum. Solche Pferdegöpel dienten zum Antrieb der Förderanlagen in Oberharzer Bergwerken.
Nach der Mittagspause führte eine Busexkursion in die Bergstadt Sankt Andreasberg mit gut erhaltenen Häusern des 17. bis 19. Jahrhunderts. Abschließender Höhepunkt war der Besuch des Bergwerksmuseums "Grube Samson" mit der letzten erhaltenen hölzernen "Fahrkunst" von 1837, die von einem riesigen Wasserrad angetrieben wird, und ein vom Geologen Wilfried Ließmann geführter Rundgang durch die Stadt, der am hochgelegenen Glockenhaus (17. Jh.) mit Glockenturm bei Starkregen endete.
Vor dem Bergwerksmuseums "Grube Samson"
Die letzte erhaltene hölzerne "Fahrkunst" von 1837
Die Sammlung im Bergwerksmuseum


Die Fahrkunst

Im "Harzer Roller" (das sind die Finken) -Museum
Das Antriebs-Wasserrad für die Fahrkunst.
Unter Tage mit Blick auf die Fahrkunst
Vor dem Schachtausgang
Die typische Architektur der Bergwerksstadt
Der alte Bahnhof in St. Andreasberg
Das über der Stadt gelegene Glockenhaus (17. Jh.) mit Glockenturm
Im Glockenturm
St. Andreasberg von oben
Die Tagung gab einen spannenden Überblick zu vielfältigen, bis heute aktuellen Fragen des historischen Brand- und Wetterschutzes bei Fachwerkbauten - und zeigte zugleich die eindrucksvolle, vom Bergbau geprägte Geschichte von Landschaft und Siedlungen im Oberharz. Über landesgeschichtliche Hintergründe, Vortragsprogramm und Exkursionsobjekte informierte ausführlich ein 23-seitiges Begleitheft, das Anja Schmid-Engbrodt gemeinsam mit Bernd Gisevius und Wilfried Ließmann für die Teilnehmer zusammengestellt hatte - und überhaupt ist ihr ein großes Kompliment zu machen für die umsichtige und liebevolle Organisation dieser gelungenen Tagung.

Literaturempfehlungen:

Hans-Günther Griep: Das Bürgerhaus der Oberharzer Bergstädte (Das Deutsche Bürgerhaus, Bd. XIX). Tübingen 1975.

Anja Schmid-Engbrodt: Schutz und Zierde. Historische Außenwandbehänge im südlichen Niedersachsen (Arbeitshefte zur Denkmalpflege im südlichen Niedersachsen 32). Hameln (C.W. Niemeyer) 2006. (vergriffen)

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