4. Juni 2014

Ein mittelalterliches Lehrgerüst in Lärbro und Abschied von Gotland

Seit 1522, als ein Sturm das Kirchturmdach in Lärbro zerstörte, dient der frühere Wehrturm ("Kastal") als Glockenturm.
An unserem letzten Tag auf Gotland besuchen wir noch einmal die Kirche in Lärbro, um den erhaltenen Wehrturm ("Kastal") und das Dachwerk von Turm und Kirche zu besichtigen. Hier gibt es außergewöhnliche Dinge zu sehen - unter anderem ein mittelalterliches Lehrgerüst für das obere Turmgewölbe. Wir haben Glück, der Küster kommt und lässt uns auf den Dachboden... Ein mittelalterlicher Steinspeicher in Lauks und ein reich ausgemaltes Holzhaus in Visby stehen dann noch auf dem Programm, bevor wir schon kurz nach 17 Uhr mit der Fähre Gotland verlassen müssen.
Die Kirche von Lärbro und den zugehörigen Kastal (Wehrturm, links) kennen wir bereits - doch sollen heute die Dachwerke besichtigt werden.
Gotische Wasserspeier am achteckigen Kirchturm
Ein besonders schönes Gotländer Kirchenportal ...
... führt in das zweischiffige Innere der Kirche - für den Gotland-erfahrenen Kirchenbesucher ein vertrauter Anblick...
Im Chor gibt es einen prächtigen Drachen ...
... dessen Kopf vollplastisch gearbeitet ist. Er knabbert die Gewölbekonsole an.
Erhard scannt die Jahresringe an dem mittelalterlichen Sakramentsschrank
Spätgotischer Schnitzaltar mit Apostelfiguren - die Rückseite (rechts) ist mit Rankenwerk bemalt.
Gewölbemalerei im Chor
In der Sakristei wohlverwahrt ein besonderer Höhepunkt: Ein romanischer Stuhl aus dem 13. Jahrhundert!
Andächtig stehen wir davor ...
In der Kirche treffen wir die Restauratorin Rebeca Kettunen (links), die für "Byggnads Hyttan på Gotland" (Bauhütte für Gotland) arbeitet und gerade den Taufstein restauriert.
Dann schließt uns der Küster den Kastal (Wehrturm) auf, in dem sich ein interessantes kleines Museum befindet. 
Die große Winde (links) wurde möglicherweise schon beim Bau (oder Umbau) der Kirche verwendet.
Blick in das Turmdachwerk des Kastal. Der Mittelständer ist als Steigbaum mit eingesteckten Holzsprossen gestaltet.
Das Dachwerk der Kirche selbst wirkt auf den ersten Blick verwirrend. Die Sparrengebinde sind mit aufgeblatteten Kreuzstreben als sog. Scherenbinder gezimmert.
Kreuzungspunkt eines Scherenbinders an der Mauer des Turmes. Ein anderes Holz ist mit einem zusammengedrehten Seil befestigt.
Anblattung eines Sparrenknechtes mit verziertem Holznagelkopf
Spannbalken über dem Langhausgewölbe, die mit Keilen an der Mittelschwelle verankert sind - eine ungewöhnliche Konstruktion.
Eine wirkliche Sensation wartet aber im oberen Gewölbe des Turmes: Hier blieb die Schalung mit Lehrgerüsten und Stützhölzern erhalten, die beim Bau des Gewölbes als vorübergehende Stützkonstruktion eingebaut worden waren - ein erhaltenes mittelalterliches Lehrgerüst!
Die bogenförmigen Träger des Lergerüstes werden von schrägen, angeblatteten Hölzern unterstützt.
Zahlreiche Stützen fangen die Last des Gewölbes ab, bis es sich selbst tragen kann.
Blick in das mittelalterliche Lehrgerüst. Ein kleiner Wald von Stützen sollte das Gewölbe stabilisieren, solange der Mörtel noch feucht war. Dann hat man anscheinend vergessen, die Stützkonstruktion wieder abzubauen ...


Das Lehrgerüst im Turm der Kirche in Lärbro hier im Video sehen.

Ein Blick in das vor etwa 30 Jahren erneuerte Turmdachwerk darüber - eine moderne Holzkonstruktion mit Stahlverbindern.
Nach so viel Holz fahren wir weiter in Richtung Visby - unterwegs wollen wir noch den steinernen Speicher in Lauks besichtigen, ein Vorratsgebäude aus dem 13. Jahrhundert.

Das Vorratsgebäude aus dem 13. Jahrhundert (rechts) steht neben einer jüngeren Scheune aus dem 19. Jahrhundert.  Die oberen Rundbogeneingänge wurden über einen hölzernen Laufgang erschlossen, der nicht mehr erhalten ist.
Blick in den linken Raum des kreuzgratgewölbten Erdgeschosses
Das Obergeschoss besaß ein brandsicheres Tonnengewölbe unter dem Dach, das aber nicht mehr erhalten ist. Das heutige Dach wurde modern rekonstruiert.
Eine jüngere Scheune des Hofes. Sie ist verbrettert und mit dem für Schweden typischen "Falun-Rot" gestrichen....
Auch diese kleine Scheune zeigt diesen Rotanstrich, ein Eisenoxidrot, das mit Kupfer (aus der Eisenverhüttung) gemischt ist. Damit ist die Farbe giftig, aber besonders haltbar.

Das rekonstruierte Ringkreuz des Hofes - solche Hofkreuze waren im Mittelalter auf zahlreichen Höfen auf Gotland anzutreffen.
Mittags erreichen wir Visby. Bevor wir um 16 Uhr an der Fähre sein müssen, haben wir noch etwas Zeit, dieses Blockhaus aus dem 17. Jahrhundert zu besichtigen. Ein Mitarbeiter des Museums zeigt es uns.
Das Gebäude besitzt prächtig ausgemalte Innenräume in frühbarockem Stil - es diente als Residenz des schwedischen Statthalters auf Gotland. Hier der große Saal mit einem Kamin von 1647.
Zimmer mit Blumenrankenmalereien und Jahreszeitendarstellungen.
Ein martialischer Krieger in Grisaille-Malerei (frz. grisaille = grau)
Die bemalte Balkendecke im Saal ist 1648 datiert - sie entstand, als in Deutschland der Dreißigjährige Krieg endete.
Die Balkendecke im Saal ist mit Schablonen- und Freihandmalerei dekoriert.
In der Mitte befinden sich Medaillons mit Darstellungen der Tugenden, hier die Prudentia (Klugheit)
Eine kuriose Maske im frühbarocken Knorpelstil
Um kurz nach 17 Uhr verlassen wir Visby mit der Fähre in Richtung Oskarshamn auf dem schwedischen Festland - Abschied von Gotland.


Ein letzter Blick vom Schiff auf die mittelalterliche Stadt Visby
(Texte: Heinrich Stiewe)


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