10. September 2016

Von St. Philibert in Tournus in die Bresse

Die Westfassade von St. Philibert in Tournus ist eine der ältesten Doppelturmfassaden in Frankreich, erbaut im frühen 11. Jahrhundert.
Zusammen mit unserem Schweizer Freund und Bauforscherkollegen Heinz Pantli, der mit uns von Mühlhausen nach Cluny mitgefahren ist, besuchen wir die ehemalige Abtei St. Philibert in Tournus an der Sâone. Nachmittags steht ein Ausflug in die Bresse, eine fruchtbare Agrarlandschaft östlich von Mâcon, auf dem Programm. Hier gibt es prächtige Fachwerk-Bauernhöfe mit sog. sarazenischen Kaminen - wir besuchen ein Freilichtmuseum und lassen uns überraschen.
Heinz Pantli ist ein echter Kenner der romanischen Baukunst in Burgund - und es ist ein besonderes Vergnügen, gemeinsam mit ihm die Baugeschichte der Abteikirche in Tournus nachzuvollziehen. Dieser sehr alte Bau wurde nach einem Brand 1007 wiederaufgebaut und 1019 geweiht. Dabei baute man von Westen nach Osten: Zunächst entstand der Narthex (Vorhalle, Vorkirche) im Westen, dann das Langhaus mit seinen Rundpfeilern und zuletzt das Querhaus und der Chor. Der Bau orientiert sich an der nicht mehr erhaltenen Abteikirche Cluny 2, der im frühen 12. Jahrhundert erneuerte Chor ist ein verkleinertes Abbild des monumentalen, im 19. Jh. zerstörten Umgangschors von Cluny 3.

Diskussion mit Heinz Pantli (2. von links) in der Abteikirche von Tournus. Die Mittelschiffsarkaden ruhen auf mächtigen Rundpfeilern, das Gewölbe besteht aus Quertonnen, die auf den Gurtbögen aufliegen. Tournus ist ein besonders früher Gewölbebau, hier wurde noch mit neuartigen Gewölbeformen experimentiert.
Nördliches Seitenschiff und Mittelschiff, Blick nach Westen
Im Chorumgang bestaunen wir freigelegte Fußbodenmosaiken aus dem frühen 12. Jahrhundert...
... mit Monatsdarstellungen (hier ein Schnitter für den Juni) und Tierkreiszeichen.
Blick in den Chorumgang, in der Mitte das Sternzeichen Krebs (Cancer).
In der romanischen Krypta von St. Philibert
An einem Pfeilersockel im Südquerhaus findet sich eine ungewöhnlich frühe, lateinische Bauinschrift aus dem frühen 12. Jahrhundert: RENCO ME FECIT (Ronco machte mich) - dabei ist unklar, ob mit Renco der Baumeister oder (was wahrscheinlicher ist) der Auftraggeber der Kirche (Abt) gemeint ist.
Putzfragment mit Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert, Porträt eines Bischofs. Bei der "Restaurierung" im 19. Jahrhundert wurde der originale Innenputz der Kirche größtenteils abeschlagen. Dabei gingen viele Wandmalereien verloren, die Kirche präsentiert sich heute als mittelalterlicher Rohbau.
Die hoch gelegene Michaelskapelle über dem Narthex (Vorhalle) im Westen der Kirche aus dem 11. Jahrhundert - ein archaischer Raum mit Tonnengewölbe...
... und interessanten Bauskulpturen.
Blick in den stimmungsvollen, romanischen Kreuzgang der Abtei
Der Kapitelsaal erhielt im 13. Jahrhundert ein neues, frühgotisches Gewölbe.
Die spätgotische Abtsresidenz aus dem späten 15. Jahrhundert.
Unterwegs in den engen Gassen der Altstadt von Tournus. Diese niedrige Tür stammt wohl noch aus dem 13. Jahrhundert.
Ein mediterranes Straßenbild in Tournus
Spaziergang am Ufer der Sâone
Mittags verabschiedet sich Heinz Pantli, er fährt mit dem TGV zurück nach Zürich und von dort weiter nach Winterthur. Wir wollen nach so viel hochkarätiger Sakralarchitektur mal wieder richtige Bauernhäuser sehen - und fahren in die Bresse - eine fruchtbare Landschaft östlich der Sâone, die vor allem für ihre Hühner berühmt ist. Hier besuchen wir das Musée de la Bresse in Saint-Cyr-sur-Menthon. Das kleine Freilichtmuseum besteht aus einer typischen historischen Hofanlage, der Domaine des Planons, und einer modernen Eingangs- und Ausstellungshalle mit volkskundlichen Sammlungen und Ausstellungen.

Stallgebäude (im Bild), Scheunen und das große Bauernhaus bilden einen weitläufigen Vierseithof. Die älteren Bauten bestehen aus Fachwerk, im 19. Jahrhundert kommen Bruchstein- und Stampflehmbau (Pisébau) hinzu.
Blick in die Scheune mit flach geneigtem Pfettendach.
Ein alter zweirädriger Karren, dessen Räder und Achsen noch vollständig aus Holz bestehen.
Das Bauernhaus ist ein langgestreckter, zweigeschossiger Fachwerkbau mit einem flachen, ziegelgedeckten Pfettendach. Das Fachwerkgefüge wurde dendrodatiert; es stammt in seinen ältesten Teilen von 1490 (d). 1603 und um 1700 wurde das langgestreckte Haus umgebaut und erweitert.


Der geräumige Herdraum des Bauernhauses - mit einer offenen Herdstelle unter einem großen, pyramidenförmigen Rauchschlot aus Fachwerk und Lehm. Er ruht auf einem kräftigen, niedrigen Querunterzug. 
Gartenansicht des Bauernhauses mit hölzernen Arkaden (auch an der Hofseite). Auf dem Dach ein für die Bresse typischer, reich gestalteter Kaminaufsatz aus Backsteinen. Er ist durch einen Blitzeinschlag 2014 beschädigt und noch nicht wieder restauriert. 
Ein Nachbau des Schornsteinaufsatzes vor dem modernen Eingangsgebäude des Museums. In der Hausforschung werden diese Schornsteine wegen ihres orientalisch anmutenden Aussehens "sarazenische Kamine" genannt - was aber ein Irrtum des 19. Jahrhunderts ist.
Die Domaine d'Epeysolles bei Vonnas ist ein kleines Schlösschen zwischen Mâcon und Bourg-en-Bresse, das heute ein gepflegtes Hotel-Restaurant beherbergt. Hier wollen wir stilvoll zu Abend essen.
Der Abend beginnt mit Cremant de Bourgogne...

... und endet mit einem feinen Dessert: Tart de Citron.
Das kleine Schloss in der Abenddämmerung - ein schöner Ausklang eines erlebnisreichen Tages.

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