30. Mai 2018

Durch die Rheinschlucht nach Valendas und ein Nachmittag im Kanton Glarus

Die Rheinschlucht (Ruinaulta) ist ein überaus eindrucksvolle Landschaft am Hinterrhein im westlichen Kanton Graubünden. Hier hat ein gewaltiger Bergsturz am Ende der letzten Eiszeit, vor etwa 14.000 Jahren, gewaltige Schuttmassen angehäuft, durch die der junge Rhein sich seinen Weg suchen musste.
Heute fahren wir mit Heinz Pantli in den westlichen Kanton Graubünden, wo wir die Dörfer Valendas und Falera besuchen. Am Nachmittag geht es weiter in den Innerschweizer Kanton Glarus.
Das Dorf Valendas liegt an einer alten Fernstraße durch die Alpen in Richtung Italien. Daher gibt es hier - ähnlich wie im gestern besuchten Passort Splügen - zahlreiche große, repräsentative Häuser die hier von "Patriziern", wohlhabenden Kaufmannsfamilien, bewohnt wurden. Mit dem Bau der Gotthardbahn verlor der Ort seine Bedeutung für den überregionalen Verkehr und wurde zum "normalen" Bauerndorf. Heute engagiert sich die bürgerschaftliche Stiftung "Valendas Impuls" mit beachtlichem Erfolg für die Erhaltung und Restaurierung der ortsbildprägenden, denkmalwerten Gebäude.
In dieser Scheune informiert eine sehenswerte Ausstellung über die geplanten und z T. schon umgesetzten Projekte zur Dorferneuerung in Valendas.
Heinz Pantli erläutert uns in der Ausstellung die Baugeschichte einiger Häuser in Valendas, die er im Auftrag der Stiftung erforscht hat - Heinz ist mit den Dorfbewohnern gut bekannt.
Modell eines mittelalterlichen Blockbaus in der Ausstellung



Informationen zu den historischen Gebäuden in Valendas
Dorfrundgang in Valendas: Das Dorfbild wird von Stein- und Holzhäusern sowie Stadeln (Scheunen) in Rundholz-Blockbauweise bestimmt.
Mehrere Scheunen in Rundholz-Blockbauweise stehen hinter einem steinernen Wohnhaus eng beieinander. Mit ihren weit überstehenden Dächern bilden sie einen engen, aber wettergeschützten Hofraum.
Eine der Scheunen ist mit der Jahreszahl 1746 über dem hölzernen Tor datiert.
Der Dorfplatz in Valendas ist mit eindrucksvollen, steinernen Wohnhäusern von Kaufleuten bebaut. Vorn der hölzerne Dorfbrunnen von 1760, einer der größten in der Schweiz. Er ist mit der Figur einer Meerjungfrau auf der Brunnensäule verziert und diente zum Wäschewaschen und als Viehtränke. Etwa alle 30 Jahre wird die hölzerne Brunneneinfassung erneuert. Das Gebäude in der Mitte ist das "Engihuus", das restauriert und zum "Gasthaus am Brunnen" umgebaut worden ist.
Kaffeepause auf dem Dorfplatz in Valendas
Die Brunnensäule von 1760  ist mit der Figur einer Meerjungfrau geschmückt - mit einem großen Sonnenhut.
Wir besichtigen das "Engihuus" von 1517, in dem sich heute das "Gasthaus am Brunnen" am Dorfplatz befindet. Zu sehen sind Teile eines spätmittelalterlichen Ständerbohlenbaus mit angeblatteter Fußstrebe und jüngerem Fachwerk.
Gewölbte Küche im Obergeschoss des "Engihuus"
Obergeschossflur mit Ständerbohlenwänden im "Engihuus"
Dieses dörfliche Patrizierhaus aus dem frühen 17. Jahrhundert wird aktuell restauriert. Hier treffen wir Hans Rudolf Luzi, den Architekten der Herberge "Weiss Stern" in Splügen wieder, der die Arbeiten geplant hat und in der Stiftung "Valendas Impuls" engagiert ist. Gern zeigt er uns das restaurierte und behutsam modernisierte Gebäude.
Ähnlich wie in dem Hotel in Splügen wurde auch hier eine moderne Dusche in ein historisches Kellergewölbe eingebaut.
Stube mit restaurierter Holztäfelung (Täfer) im Obergeschoss
Ein weiterer Raum mit Holztäfelung und Kassettendecke im Obergeschoss. Diese wertvollen historischen Ausstattungen blieben bei der Modernisierung erhalten.
Blick in den Dachraum mit neuem Schornstein
Scheune in Rundholz-Blockbauweise
Das "Jooshaus" in Valendas wurde von Heinz Pantli gründlich untersucht. Er konnte insgesamt zwölf Bauphasen in etwa 550 Jahren feststellen, das Haus hat eine komplexe Baugeschichte.
Die ältesten Steinbauteile des Jooshauses entstanden möglicherweise im 13. oder 14. Jahrhundert; die ältesten hölzernen Blockbauteile wurden 1509 bis 1511 dendrodatiert.
Hölzerne Futterkrippen im Stallteil des Hauses
Blick in die angebaute Blockbauscheune
Heinz Pantli erläutert uns die reiche Baugeschichte des Jooshauses. 
Die  verrußte Küche im zweiten Obergeschoss. Zeitweilig wurde das dreigeschossige Haus von zwei Familien in zwei Stockwerken übereinander bewohnt.
Stube mit original erhaltener historischer Ausstattung: Links der gemauerte Ofen, daneben eine hölzerne Bettstelle und die 1582 datierte Stubentür.
Von Valendas fahren wir über eine gewundene Passtraße nach Falera, ebenfalls im Kanton Graubünden. Hier wurde auf einem Hügel neben der romanischen Kirche in den Jahren 1935-43 eine bronzezeitliche Siedlung ausgegraben. Davor gibt es ein größeres Feld mit Steinsetzungen, die als "Alignements" mit "Menhiren" gedeutet werden. In Infoblättern vor Ort wird uns erklärt, es handele sich um frühgeschichtliche Kalenderanlage mit diversen astronomischen Peilungen ("Ortungslinien") - was wir mit der gebotenen Skepsis zur Kenntnis nehmen.
Die Kirche St. Remigius auf einem Hügel am Ortsrand von Falera ist ein schöner Bau der Romanik aus dem 13. Jahrhundert.
Am Nachmittag fahren wir weiter in den Innerschweizer Kanton Glarus, wo Heinz Pantli uns einige spätmittelalterliche Ständerbohlenbauten und die Industriestadt Glarus zeigen will.
Wir machen einen kurzen Rundgang durch das Dorf Mollis bei Glarus. Hier gibt es repräsentative Herrenhäuser von Kaufleuten und frühindustriellen Unternehmern aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Hier ein Beispiel aus dem späten 18. Jahrhundert mit Gartenhaus (links), das heute als Museum dient. 
In den Dörfern um Glarus wurden die älteren Ständerbohlenbauten im 19. Jahrhundert aus Brandschutzgründen verputzt. Man erkennt sie an der flachen Dachneigung und unregelmäßigen Fensteranordnung. Dieses Gebäude in Mollis aus dem späten 15. Jahrhunderts ist das Geburtshaus eines in der Region bekannten Dichters. Es wurde vor einigen Jahren saniert, dabei wurde die originale Ständerbohlenwand leider total erneuert.
Dieser Ständerbohlenbau in Eich bei Glarus wurde 1459 (nach Dendro-Datierung) erbaut und kürzlich restauriert
Ecke der Ständerbohlenbau-Konstruktion mit angeblattetem Fußband und durchgezapfter Schwelle der Innenwand.
Häuser des 17. Jahrhunderts mit steilen Dächern in Mollis 
Häuser des späten 18. Jahrhunderts am Zaunplatz in Glarus. Diese spätbarocken Bauten gehören zu den wenigen Häusern, die den großen Stadtbrand in Glarus von 1861 überlebt haben. 1861 brannte die Innenstadt weitgehend ab und wurde in den folgenden Jahren mit einheitlichen spätklassizistischen Häusern wiederaufgebaut.
Der Zaunplatz in Glarus ist der alljährliche Versammlungsort der "Glarner Landsgemeinde", einer traditionellen, frühen Form direkter Demokratie, die in einigen Schweizer Kantonen bis heute praktiziert wird. Alle wahlberechtigten Bürger und seit 1971 auch Bürgerinnen können an der Versammlung teilnehmen, Anträge stellen und über die Angelegenheiten des Kantonsregierung abstimmen. Die Landsgemeinde als Volksversammlung wird in der Schweizer Eidgenossenschaft seit 1387 praktiziert.
Glarus ist eine der wichtigsten und ältesten Industriestädte der Schweiz. Die Industrialisierung begann hier schon im späten 18. Jahrhundert und erlebte mit vielfältigen Textilfabriken im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Damals entstanden ausgedehnte Arbeiterwohnquartiere am Stadtrand, die mit zwei- bis dreigeschossigen Reihenhäusern bebaut wurden. Hier eine klassizistische Arbeiterhauszeile aus der Zeit um 1830.
Nach der Rückkehr nach Chur lassen wir den Abend im "Obelisco" ausklingen. Wir bedanken uns bei Heinz Pantli für die großartigen Führungen der letzten drei Tage, morgen früh muss er sich von uns verabschieden.

Fotos: Bernd Kunze; Texte: Heinrich Stiewe

zum Tag 6   –––>

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schreiben Sie einen Kommentar zu unseren Beiträgen.
Es ist immer spannend, zu erfahren, was unsere Leser denken und wer uns besucht. Wir würden uns freuen.

Printfriendly