21. März 2005

Zur Geschichte nicht landwirtschaftlich genutzter Gebäude auf dem Lande

Havelberg, am Zusammenfluß von Havel und Elbe gelegen, war im März der Austragungsort der Tagung der Haus- und Gefügeforscher.
Die Stadt liegt in einer Havelschleife im Schutz des Dombergs. 

16. Tagung der AG Haus- und Gefügeforschung in Havelberg am 19. und 20. März 2005


Die mittelalterliche Bischofsstadt Havelberg, östlich der Elbe nahe der Mündung der Havel im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt gelegen, aber historisch zur Mark Brandenburg gehörig, war der Tagungsort des diesjährigen Treffens der IGB-Arbeitsgemeinschaft für Haus- und Gefügeforschung in Nordwestdeutschland, die zugleich als Regionalgruppe dem Arbeitskreis für Hausforschung (AHF) angeschlossen ist. Hans-Jürgen Rach (Berlin) und Peter Natuschke (Freilichtmuseum Altranft), die dankenswerterweise die Vorbereitung übernommen hatten, war es gelungen ,ein ebenso vielfältiges wie attraktives Vortrags- und Exkursionsprogramm zusammenzustellen.
Mit dem etwas umständlich klingenden (aber vom Berichterstatter mit verantworteten) Titel „Zur Geschichte nicht landwirtschaftlich genutzter Gebäude auf dem Lande” sollte keineswegs erst bewiesen werden, daß die Hausforscher in der IGB sich auch für anderes als Bauernhäuser interessieren – daß die IGB auch nichtbäuerliche Bauten im Blick hat, zeigt schon eine flüchtige Durchsicht auch älterer Ausgaben des „Holznagels”, in denen auch immer wieder über Industrie- und Gewerbebauten, Wirts- und Pfarrhäuser, Schulen, Mühlen und andere „nichtlandwirtschaftliche” Gebäude berichtet wurde. 
So erschien es reizvoll, eine Tagung zu diesem Themenbereich zu veranstalten, der sich als sehr weitgespannt und kaum zu überblicken erwies. Ausdrücklich ausgeklammert waren ländliche Kirchen und Mühlen – beides umfangreiche Themen, die eigene Forschungsgebiete darstellen und vielleicht einmal gesondert zu behandeln wären. Nicht nur der Tagungsort Havelberg, sondern auch einige Vorträge gingen weit über Nordwestdeutschland hinaus (bis nach Volkenroda in Thüringen oder Meisenheim/Glan in Rheinland Pfalz!) – doch damit zeigte das Treffen nur, daß gelegentliche Blicke „über den Tellerrand” bereichernd sein können.

Der Dom Beherrscht die Stadtansicht
Der 1170 geweihte, im Kern romanische Dom mit seinem markanten rechteckigen Westwerk, wurde 1279 gotisch umgebaut und in den folgenden Jahrhunderten mehrfach um- und angebaut …
… hier trafen sich, die schon am Freitag angereisten Tagungsteilnehmer, zur Besichtigung von Dom und Dommuseum.
im Dachwerk

der Blick von oben in den Klostergarten …
… und auf die Elbauen
Auch nasses, windiges Wetter hielt die Hausforscher
nicht davon ab, an einer fachkundigen
Führung durch die Havelberger Altstadt teilzunehmen.

Den Auftakt am Anreisetag (Freitag, 18. März) bildete eine Führung durch den eindrucksvollen, auf einem Hügel über der Havel gelegenen Dom zu Havelberg (romanische Bruchsteinbasilika mit mächtigem Westriegel um 1150, Weihe 1170, backsteingotisch überformt nach Brand 1279 bis zur Neuweihe 1330) und die anschließenden, vollständig erhaltenen mittelalterlichen Klausurgebäude (Mitte 12.-13. Jh., heute Museum), die auch Gelegenheit zur Besichtigung der Dachwerke bot. Ein anschließender, leider etwas verregneter Spaziergang erkundete die in einer Havelschleife gelegene Stadtinsel, deren Bebauung in einigen sehenswerten Beispielen bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht (mehrere Stadtbrände im17. Jh. und Großbrand 1870).

Das Prignitz-Museum in der ehemaligen Domklausur gab erste Einblicke in nicht-landwirtschaftliches Gewerbe in der Region; hervorzuheben sind mehrere Dioramen zum brandenburgischen Schiffbau des 17. Jh. in Havelberg: Die in mehreren Werften der Stadt gebauten, noch nicht getakelten Schiffsrümpfe mußten mit Hilfe von unförmigen hölzernen Schwimmkörpern, so genannten „Kamelen”, äußerst mühsam mit Muskelkraft durch die Untiefen von Havel und Elbe nach Hamburg getreidelt werden, wo sie endlich nach etwa eineinhalb Jahren ankamen und in See gehen konnten – unter diesen Umständen scheiterten die zaghaften Versuche Brandenburg-Preußens, eine auch nur annähernd mit Holland oder England konkurrenzfähige Seemacht aufzubauen.

Die Vorträge


In dem folgenden Bericht über den Vortragstag am 19. März wird z. T. von der Reihenfolge des Programms abgewichen, um inhaltliche Zusammenhänge deutlich zu machen (zwei angekündigte Vorträge von Wolfgang Rüther und Frank Högg mußten leider ausfallen):
  • Die Reihe der Vorträge begann mit einem archäologischen Überblick von Gerson H. Jeute (Berlin) über „Nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten und Bauten im mittelalterlichen Brandenburg” – auf der Grundlage seiner noch ungedruckten Dissertation. Mit Töpfereien, Öfen zur Teer- und Pechproduktion (schon im 8./9. Jh. belegt, Export seit dem 13. Jh.), Eisen- und Buntmetallverarbeitung, Kalkbrennöfen, einigen Salinen (seit dem 16. Jh.) sowie Mühlen und „Krügen” (Wirtshäusern) zeigte Jeute ein breites Spektrum von archäologisch bzw. historisch nachweisbaren gewerblichen Anlagen des Mittelalters in Brandenburg, von denen einige in den folgenden Vorträgen näher thematisiert wurden. So berichtete Thomas Hennig über „Dorfkrüge, Gasthäuser, Schenken”, die in Brandenburg schon erstaunlich früh, im 13. und 14. Jh., urkundlich belegbar sind. Dabei ist freilich zu prüfen, wie in der Diskussion angemerkt wurde, ob in den Urkunden eindeutig von einer Taverne oder einem „Krug”, also einem Wirtshaus, die Rede ist – mit dem Begriff „Gasthaus” können im Mittelalter auch andere Beherbergungsformen wie Pilgerhäuser oder Hospitäler gemeint sein. Anhand von niederländischen Genrebildern des 16. und 17. Jh. illustrierte der Referent mehr allgemein das Leben in ländlichen Wirtshäusern, bevor er anschließend zwei rezente Beispiele des späten 18. und 19. Jh. aus dem Landkreis Oder-Spree vorstellte, die mit spätbarock bzw. klassizistisch geprägtem Wirtshaus und Saalanbau des späten 19. Jh. einem weit verbreiteten Schema entsprachen.
  • Mit dem „Brau- und Brennwesen der Ackerbürgerstadt Drebkau” stellte Lothar Balke am Beispiel einer Kleinstadt in der Niederlausitz ein nicht nur für das Gasthauswesen elementares Produktionsgebiet vor. Wie in ganz Norddeutschland war auch in der „Mediatstadt” Drebkau (1750: ca. 350 Einwohner) das „Reihebrauen” üblich, d. h. die größeren Haushalte, hier „Großerben” genannt (1698: 27 „Großerbenhäuser” bei 59 Bürgerhaushalten), waren brauberechtigt und brauten reihum. Die kleineren Haushalte („Kleinerben”) hatten gemeinsam mit den Großerben Brennrechte; Mitte des 18. Jh. wurden in der kleinen Stadt immerhin 63 „Branntweinblasen” (Brennereien) gezählt – es wurde also fast in jedem Bürgerhaus Schnaps gebrannt. Öffentliche Brauhäuser, von adligen Grundherren oder bürgerlichen Körperschaften gebaut und unter diesen zeitweilig heftig umstritten, sind seit dem 17. Jh. nachweisbar. Ein 1813 außerhalb der Stadt erbautes, stattliches Brauhaus war um 1990 noch vorzüglich erhalten und fiel 1995 aufgrund mangelnder Bauunterhaltung dem Abbruch zum Opfer.
  • In einem spannenden Vortrag mit dem Titel „Teerofen und Pechhütte” berichtete Hans-Jürgen Rach am Schluß des Tages über die Teerproduktion als waldgebundenes Gewerbe, das in Brandenburg seit dem frühen Mittelalter betrieben wurde und schon bald für den Export produzierte. Teer, nach Zedlers Universal-Enzyklopädie ein „klares, harziges Öl” (im Unterschied zum zähen, schwarzen Pech), wurde in speziellen Teeröfen durch „trockene Destillation” (Verschwelung) aus harzreichem Kiefernholz gewonnen. Das Produkt wurde in großen Mengen als wasserdichter Schutzanstrich in Schiffbau und Zimmerei sowie als Schmiermittel für hölzerne Wagenachsen benötigt. Ca. 300 Teerofenstandorte sind in den sandigen, mit Kiefernwäldern bestockten Gebieten vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg durch Flurnamen und historische Karten nachweisbar. Kein Teerofen blieb bis heute erhalten; nach der Verdrängung des Holzteers durch den industriell produzierten Steinkohlenteer im 19. Jh. entstanden an ihrer Stelle häufig Förstereien oder auch Ausflugsgaststätten, deren Namen noch an die frühere Nutzung erinnern. Rach konnte als Student in den 1960er Jahren noch ein früheres Wohnhaus eines Teerschwelers aus dem 18. Jh. aufmessen, ein kleines eingeschossiges Fachwerkhaus mit Flur, „Schwarzer Küche”, Stube und Kammer. Das strohgedeckte Dach zeigt den in Brandenburg verbreiteten „Märkischen Längsverband”, der aus von außen etwa in der Mitte auf die Sparren gekämmten und jeweils um Holzstärke versetzten Längshölzern besteht, die eine durchgehende Längsaussteifung bilden.
  • Einen ungewöhnlichen frühindustriellen Produktionsbetrieb stellte Bernd Adam vor: Aufgrund besonders geeigneter Vorkommen von weichem Kreidegestein (Kalziumkarbonat) in Söhlde (bei Hildesheim) entstanden hier im 18. und 19. Jh. zahlreiche windbetriebene Kreidemühlen, in denen das Material zunächst in Stampfwerken zerkleinert und dann zu feinem Pulver vermahlen wurde. Die Söhlder Bauern gewannen die Kreide in hofeigenen Brüchen und verarbeiteten sie in Wind mühlen vor allem am westlichen Dorfrand, die das Ortsbild noch bis um 1900 prägten; 1890 sind 13 Betriebe nachweisbar. Ende des 19. Jh. begann die Industrialisierung der Kreidemühlen; mit der Elektrifizierung 1906 hatten die Windmühlen ausgedient. Ähnlich wie in Ziegeleien wurde die Kreide in Kollergängen zerkleinert und nach dem „Schlämmen” in speziellen Absetzbecken in alten Ziegeltrockenschuppen getrocknet und dann gemahlen. Diese außerordentlich feine „Schlämmkreide” wird in der Farbenherstellung, aber auch für chemische und medizinische Zwecke bis heute benötigt. Den letzten erhaltenen, um 1970 stillgelegten Betrieb dieser Art in Söhlde hat der Referent mit Studenten der FH Hildesheim dokumentiert – ein seltenes technisches Denkmal mit leider ungewisser Zukunft.
  • Ein weitverbreitetes nichtlandwirtschaftliches Gewerbe ist die Ziegelherstellung, die seit dem Mittelalter im Feldbrandverfahren oder in einfachen Ziegelöfen erfolgte und ab der Mitte des 19. Jh. in industriellen Ringöfen betrieben wurde. Joseph G. Pollmann stellte anhand von Bauakten und historischen Fotos die 1899 vom Freiherrn v. Boeselager aus Hamm-Heessen errichtete Ringofenziegelei in Arnsberg-Vosswinkel im Sauerland vor, die von 1900 bis 1973 in Betrieb war. Um 1900 produzierte die Ziegelei mit nur 21 Arbeitern, die aus Vosswinkel, Polen, Italien sowie dem Fürstentum Lippe kamen (letzteres war für seine als Saison-Fachkräfte begehrten Wanderziegler bekannt), etwa zwei bis drei Millionen Ziegelsteine im Jahr.
  • Am Beispiel der erhaltenen Gebäude des ehemaligen Zisterzienserklosters Volkenroda bei Mühlhausen in Thüringen, das seit 1540 als Amtshof der Herzöge von Sachsen-Coburg-Gotha genutzt wurde, erläuterte Andreas Formann die Wirtschaftsgeschichte eines großen landesherrlichen Domänenbetriebes, der zunächst von Amtmännern geführt und ab 1810 verpachtet wurde. Die Domäne erwirtschaftete hohe Einnahmen auf Grund von agrarischer Eigenproduktion sowie von Abgaben und Frondiensten der abhängigen Bauern, aber auch aus der Forstwirtschaft, die seit der Mitte des 18. Jh. systematisch auf wissenschaftlicher Grundlage betrieben wurde (Beginn von Fichtenaufforstung, Zurückdrängung von Waldnutzung und Bauholzentnahme durch die Untertanen).
  • Mehrere Vorträge beschäftigten sich mit ländlichen nichtbäuerlichen Wohngebäuden im weitesten Sinne: Karen Gross stellte mehrere Schulen und Lehrerwohnhäuser aus dem Gebiet der heutigen Verbandsgemeinde Meisenheim/Glan im früheren Herzogtum Pfalz-Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) vor, die durch schriftliche Quellen seit dem 16. Jahrhundert überliefert sind. Die durch historische Fotos und zeitgenössische Pläne, seltener durch erhaltene Bausubstanz dokumentierbaren Schulbauten reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Neben ausgesprochen beengten Behelfslösungen etwa in Hirten- oder Beinhäusern (!) entsprechen die frühen Dorfschulhäuser einfachen klein- oder unterbäuerlichen Wohngebäuden, die mit einer zusätzlichen größeren Schulstube ausgestattet sind. Seit dem 19. Jahrhundert setzten sich hier, wie auch in anderen Regionen, überörtlich geprägte Entwürfe von Landbaumeistern und Architekten durch.
  • Kirsten Bernhardt berichtete über ein ländliches Armenhaus aus Rinkerode im Münsterland, das 1966 abgetragen worden ist und z.Zt. im Westfälischen Freilichtmuseum Detmold wieder aufgebaut wird (Eröffnung im Juli 2005). Der 1824 unter Wiederverwendung von Teilen eines älteren Dreiständer-Kötterhauses von 1601 (d) erbaute kleine Wandständerbau mit Mittellängsflur bot in vier kleinen Kammern, einer Kaminküche und einer Stube Platz für vier Pfründnerinnen – bedürftige ältere Frauen, die aber keine Kinder mitbringen durften. Träger des Armenhauses war eine 1628 von dem Freiherrn Hermann v. Kerckering zur Borg begründete Stiftung, die von dem Adeligen als „Direktor” und dem örtlichen Pfarrer als „Inspektor” verwaltet wurde. In mittelalterlicher Tradition mußten die Insassen des Armenhauses täglich für das Seelenheil der Stifterfamilie beten. 1906 wurde die mittlerweile veraltete Armenstiftung in ein Krankenhaus umgewandelt; das frühere Armenhaus diente noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg als Mietshaus. Das Gebäude steht stellvertretend für zahlreiche Armenstiftungen von Adelsfamilien oder auch gemeindeeigene Armenhäuser, die es im westfälischen Münsterland gab.
  • Drei kleine Wandständerbauten, die äußerlich wie Speicher aussehen, aber aufgrund baulicher Befunde als frühe Einraum-Wohnbauten anzusprechen sind, wurden schließlich von Hans Turner und Heinz Riepshoff vorgestellt, letzterer sprach stellvertretend für Ulrich Klages, der wegen Erkrankung nicht teilnehmen konnte. Ein 1587 (i) datierter Speicher im Guderhandviertel bei Steinkirchen im Alten Land bei Hamburg, ein in einem Zweiständer-Hallenhaus von 1791 in Martfeld verborgenes Wandständergefüge eines früheren Pastorenhauses von 1532 (d) (beide von Ulrich Klages untersucht) sowie ein Kleinwohnhaus von ca. 1580 in Schwarmstedt (Hans Turner) zeigen auffällige Gefügemerkmale (Wandständerbauweise, hohes Erdgeschoß, repräsentative Gestaltung mit kräftigen Hölzern und dekorativen Knaggen) und deutliche Nutzungsspuren (Verrußung, Fensterspuren), die auf eine frühe Wohnnutzung schließen lassen. Die geringe Grundfläche der Gebäude und fehlende Befunde für bauzeitliche Innenwände führten zu der Schlußfolgerung, daß es sich um Beispiele für frühe Einraum-Wohnhäuser handelt, die in der Literatur für den städtischen Bereich zwar schon mehrfach angenommen, aber im Baubestand bisher selten belegt werden konnten.

Exkursion in die Westprignitz
Die von Hans-Jürgen Rach vorzüglich organisierte Busexkursion am Sonntag (20. März) war wie üblich nicht an das Tagungsthema gebunden, sondern sollte die Teilnehmer mit der ländlichen Siedlungslandschaft und Baukultur der Tagungsregion bekannt machen. Von Havelberg ging es durch das Landschaftsschutzgebiet „Untere Havel” mit seinen weitläufigen naturnahen Auenlandschaften in die östlich und nördlich anschließende, zu Brandenburg gehörige Westprignitz. Mittelalterliche Straßen- und Angerdörfer sowie Kolonistensiedlungen des 18. Jh. bestimmen das Siedlungsbild, das von mitteldeutschen Hofanlagen geprägt wird. In Sieversdorf (Kr. Kyritz) konnten neben typischen gründerzeitlichen Backstein-Hofanlagen der Jahre um 1880-1910 mehrere z. T. noch reetgedeckte Bauernhäuser des 18. Jahrhunderts besichtigt werden: Es handelt sich um queraufgeschlossene, zur Straße giebelständige mitteldeutsche Ernhäuser mit einer Abschleppung an der Rückseite (vgl. dazu den an die Teilnehmer in Kopie verteilten Beitrag von H.-J. Rach im Deutschen Jahrbuch für Volkskunde 14, 1968). Mehrere Gebäude stehen unter Denkmalschutz und sind mittlerweile mustergültig renoviert.
Im benachbarten Ortsteil Hohenofen wurde die ehemalige „Patent-Papierfabrik” als frühes Beispiel einer ländlichen Industrieanlage besucht. Auf dem Gelände einer 1693 gegründeten Eisenhütte mit Hochofen und Hammerwerk entstand 1833 eine Papierfabrik, die sich zuletzt auf Transparentpapier und Werbedrucksachen spezialisiert hatte und noch bis 1991 produzierte. Die weitläufigen Anlagen bestehen im Wesentlichen aus Bauten des späten 19. und frühen 20. Jh., an deren vollständig erhaltener Maschinenausstattung der Produktionsprozess nachvollzogen werden konnte. Ein entkerntes, nur notdürftig gesichertes Fachwerkgerippe diente zuletzt als „Lumpenhaus” – doch ist noch nicht geklärt, ob das Gebäude erst mit derGründung der Papierfabrik 1833 entstand oder möglicherweise noch in die Zeit der Eisenhütte zurückreicht. Die Gesamtanlage ist ein eindrucksvolles, aber gefährdetes Industriedenkmal, um dessen Erhaltung sich ein örtlicher Verein bemüht (www.patent-papier-fabrik.de).

Das Mittagessen wurde im Dorf Plänitz eingenommen – in einem um 1980 als Neubau mit aufgeputztem Fachwerk „rekonstruierten” Dorfkrug der Zeit um 1800 mit hölzerner Vorlaube. Reizvoller war die erst kürzlich mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz restaurierte Fachwerkkirche von 1709, die sich heute wieder im Zustand des frühen 18. Jh. präsentiert – als hellbeiger barocker Putzbau, von dessen Fachwerkkonstruktion nur die leicht vortretenden, als Pilaster ausgebildeten Ständer sowie die hölzernen Tür- und Fensterumrahmungen als grau gestrichene Gliederungselemente sichtbar sind.

Es folgte eine in Privatinitiative liebevoll restaurierte kleine Backsteinkirche von 1910 im Angerdorf Bork mit einem gegenüber gelegenen ehemaligen Fachwerk-Schulhaus des frühen 19. Jh. (eine an der Rückseite befindliche Inschrift von 1750 stammt aus einer abgebrochenen Scheune und wurde erst bei der jüngsten Renovierung eingefügt!).

Anschließend stand die frühe, vorzüglich restaurierte Fachwerkkirche in Grube von 1577 (d) auf dem Programm. Auch die erhaltene Ausstattung mit Gestühl, Kanzel, Herrschaftsempore derer v. Quitzow (18. Jh.) und einem spätgotischen Schnitzaltar war sehenswert. Zwei weitere Fachwerkkirchen ähnlicher Qualität in Tüchen (1576 d) und Guhlsdorf (1591) konnten leider aus Zeitgründen nicht mehr besichtigt werden. In Kuhsdorf wurde ein reizvolles Ensemble aus einer frühgotischen Feldsteinkirche (2. H. 13. Jh.) und dem zugehörigen Pfarrhaus, einem zweistöckigen barocken Fachwerkbau mit Mittelquerflur und Vollwalmdach von 1707, besichtigt. Der Besuch in dem von IGB-Mitglied Peter Bischof liebevoll restaurierten ehemaligen Pfarrhaus, das im Jahre 2000 mit dem Julius-H.-W.-Kraft-Preis ausgezeichnet worden ist, bildete den Abschluß der gelungenen Exkursion in die Westprignitz.

Mit 70 Teilnehmern war die Havelberger Tagung schwächer besucht als frühere Veranstaltungen, doch tat das der guten und bewährt „familiären” Atmosphäre unter den Haus- und Gefügeforschern keinen Abbruch. Die anregende Diskussion der Vorträge zeigte, daß die vorgestellten Aspekte des Themas „nichtlandwirtschaftliche Gebäude” auf großes Interesse stießen, aber nur angerissenwerden konnten. Themen wie gewerbliche Produktion, Schul- und Armenhäuser, Dorfkrüge oder Klein- und Einraumwohnhäuser auf dem Lande hätten durchaus eine vertiefende Behandlung im Rahmen von eigenen Tagungen verdient.
Heinrich Stiewe


… In Sieversdorf stehen eine Vielzahl quergegliederter Reetdachhäuser,
mit dem Giebel zur Straße und an der hinteren Traufseite angeschleppt.
Dieses vernachlässigte, neben einem schon renovierten Haus, das bis unters Dach besichtigt werden konnte, fand natürlich das besondere Interesse der Exkursionsteilnehmer.
Unterschiedliche Baustile nebeneinander finden sich
im Straßenbild in Sieversdorf. Die frisch gestutzten Kopfbäume gehören zur Architektur… 


Auch dieses bewohnte Fachwerkhaus vom
Ernhaustyp in Sieversdorf konnte bis unter das Dach besichtigt werden.
Auch diese stillgelegte Papierfabrik in Hohenofen, im Jahr
1833 gegründet, gehört hier in der Westprignitz zur ländlichen Baukultur. 
Hausforscher tragen Mütze …
… über die Industriekultur …
Im Hallenhaus mit Pappdach wurden die Lumpen
zur Haderngewinnung gesammelt.
Die z.T. verfallene Industrieanlage wird von dem Verein „Patent-
Papierfabrik Hohenofen e.V.” betreut, der die verwaisten Hallen für kulturelle Aktivitäten nutzt.
Die Produktionsanlagen, hier die Holländeranlage, sind fast vollständig erhalten. Die ganze Anlage kann auch besichtigt werden.

… aus einer anderen Zeit …
Die mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz restaurierte Fachwerkkirche in Plänitz aus dem Jahr 1709. Die zurückgesetzten Riegel der Fachwerkkonstruktion sind überputzt, sodaß die Optik eines riegellosen Ständerbaus entsteht. 
Der spontan organisierte Schlüssel erlaubte uns einen Blick auf die schlichte Innenausstattung.
Das gegenüberliegende Fachwerk-Schulhaus mit
historisch ausgestattetem Schulraum und Lehrerwohnung
ist für Besucher zugänglich. Beide Gebäude
wurden in Privatinitiative wiederhergestellt …
Der lebende Weiden-Flechtzaun vor dem Schulgebäude
fand das besondere Interesse der Exkursionsteilnehmer.
Die kleine Backsteinkirche in Bork konnte in letzter
Minute vor der Umnutzung zum Feuerwehrhaus
gerettet werden …
und hat inzwischen ihr ursprüngliches Aussehen im Inneren zurückerhalten… 
… hier wurde der Enkel überredet, die sehenswerte, aufwendige Farbfassung seines Großvaters aus dem Anfang des 20. Jh. zu restaurieren.
1577 (d) wurde die kleine Fachwerkkirche in Grube
errichtet …
…  besonders beeindruckt hat die Innenausstattung
des bedeutenden Baudenkmals.
Letzte Station war das ehem. Pfarrhaus unseres IGB-Mitglieds
Peter Bischoff in Kuhsdorf. Es steht nur wenige Meter neben der sehenswerten
Feldsteinkirche aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Das "Original" Peter Bischoff †
Unterm Dach des Pastorenhauses … 
… und in der Küche von Peter Bischoff 

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