6. November 2006

Ländliche Haus­forschung 25 Jahre nach Gerhard Eitzen

Das Flett des Brümmerhofes im Museumsdorf Hösseringen
Bericht über das „Eitzen-Symposium” (18. Tagung der AG Haus- und Gefügeforschung) im Museumsdorf Hösseringen und in Suderburg, 3.-5. November 2006

Wolfgang Dörfler und Heinrich Stiewe

Eine Ausstellung zum Lebenswerk des Hausforschers Gerhard Eitzen im Museumsdorf Hösserigen und das Erscheinen eines umfangreichen Sammelbandes mit dem Nachdruck seiner sämtlichen Aufsätze waren Anlässe, zu einem zusätzlichen Treffen der ­Arbeitsgemeinschaft Haus- und Gefügeforschung im Herbst 2006 einzuladen. Trotz der relativ kurzfristigen Einladung fanden sich knapp 90 Teilnehmer ein, um sich zur Arbeitsweise Eitzens und zum Stand der Hausforschung in verschiedenen Regionen Deutschlands auszutauschen. Diese gute Beteiligung bestätigten das große Interesse an unserer Arbeitsgemeinschaft innerhalb der IGB und das Ansehen, das diese als Regionalgruppe des Arbeitskreises für Hausforschung (AHF) mittlerweile in Fachkreisen genießt. So konnten wir den im Juni neu gewählten Vorsitzenden des AHF, Prof. Dr. Michael Goer (Landeskonservator für Bau- und Kunstdenkmalpflege Baden Württemberg, Esslingen) und den Bundesvorsitzenden der IGB, Dr. Dietrich Maschmeyer, zusammen mit mehreren Vorstandsmitgliedern beider Organisationen unter den Teilnehmern begrüßen.


Das Museumsdorf Hösseringen, dessen Leiter Dr. Horst W. Löbert die Organisation dankenswerterweise übernommen hatte, erwies sich als attraktiver Ort für den Auftakt der Tagung am Freitag, 3. November 2006:
Zunächst konnten die Teilnehmer mit dem eindrucksvollen, 1644 erbauten Hallenhaus des Brümmerhofes aus Moide bei Soltau und dem 2005 wieder aufgebauten Kötnerhaus aus Oldendorf/Luhe von 1596 (d) zwei historische Gebäude des Museumsdorfes besichtigen, die von Gerhard Eitzen schon früh gezeichnet und beschrieben worden waren. Der Brümmerhof war 1979-82 noch mit fachkundiger Beratung durch Eitzen selbst wieder errichtet und im Zustand der Erbauungszeit rekonstruiert worden.

Tagungsbeginn am Freitagnachmittag mit der Besichtigung des Museumsdorfes Hösseringen und der Ausstellung über Gerhard Eitzen. Begrüßung durch den Museumsleiter Dr. Horst Löbert.
die blaue Scheune von 1763 stammt aus Wieren, Landkreis Uelzen
der Giebel des erst 2005 im Museum errichteten Kötnerhauses aus Oldendorf/Luhe, Bj. 1596 (d). 
Der Brümmerhof im Freilichtmuseum
Diskussion vor dem Giebel des Brümmerhofes
Giebel des Brümmerhofes …
… Detail des Torbogens mit Schreckmaske, Taubandprofil und Datierung von 1644
Diele des Brümmerhofes
Auf dem Flett des Brümmerhofes (Bj. 1644) mit diesem unglaublich langen Herdrähm, am Ende mit Morgensternschmuck.  
Stern im Flettfußboden
Fensterbierscheibe
Seitentür im Brümmerhof 
der Wohngiebel mit "Bauerngarten"
Treppenspeicher des Brümmerhofes von 1731 aus Moide, Landkreis Soltau-Fallingbostel.
Treppenspeicher von 1808/1852
Den Museumsrundgang beschloß ein Besuch der Sonderausstellung „Bauernhausforschung 1938 – 1980. Das Werk von Gerhard Eitzen”, die auf spannende Weise die beeindruckende, noch heute anregende Arbeit dieses bedeutenden Hausforschers dokumentierte. Gezeigt wurden zahlreiche Originalzeichnungen Eitzens und seine wunderschönen frühen Buntstiftzeichnungen sowie Modelle und Bauteile von Bauernhäusern.
Auch eine Originalbohle der kürzlich „nach 1326” (d) datierten „Heidenhofer Kapelle”, des letzten, 1955 abgebrochenen Stabbaus in Deutschland wurde präsentiert.
Eine Inszenierung seines Arbeitsplatzes am Wohnzimmertisch und ein Motorrad, das dem BMW-Modell entsprach, mit dem Eitzen in den 1960er Jahren unterwegs war, vervollständigten die lebendige Ausstellung.
Die Eitzen-Präsentation in der Ausstellungsscheune des Museums …
… ermöglichte einen Blick auf das Lebenswerk Gerhard Eitzens.
Die Hausforscher Heinz Riepshoff, Ulrich Klages † und Dietrich Maschmeyer

Vorträge und kontroverse Diskussionen

Die Vorträge fanden „auf dem Saal” der Gaststätte Müller in Suderburg unweit von Hös­seringen statt. In einem Abendvortrag berichtete Johannes Buhr (Freilichtmuseum am ­Kiekeberg) über den ländlichen Ständerbohlenbau in Nordwestdeutschland – ein Thema der Gefügeforschung, mit dem sich Gerhard Eitzen erstmals intensiver befaßt hatte und das auch von späteren Hausforschern (u.a. Fred Kaspar) als Relikt spätmittelalterlicher Bauformen aufgegriffen worden war. Anhand von Kartierungen zeigte Buhr die schwer erklärbare Häufung von Ständerbohlenbauten in der Lüneburger Heide, wo diese noch bis ins 19. Jahrhundert gebaut wurden und zu Hunderten erhalten sind (insbesondere die bekannten Treppenspeicher).
Das laufende Dissertationsprojekt des Referenten, zu dem auch ein umfassender Katalog in Arbeit ist, verspricht einen umfassenden Überblick über den Bestand an Ständerbohlenbauten der Lüneburger Heide. Darüber hinaus wurde allerdings deutlich, daß man den Blick vergleichend auf ganz Nordwestdeutschland und bis nach Skandinavien richten sowie archäologische Befunde einbeziehen muß, um dem Phänomen des Ständerbohlenbaus und seinen angenommenen Wurzeln im Stabbau gerecht zu werden.
„auf dem Saal” der Gaststätte Müller in Suderburg
Der Vortragstag am 4. November stand im Zeichen der Forschungen von Gerhard Eitzen und darauf aufbauender, weiterführender Arbeiten der Hausforschung auch über Nordwestdeutschland hinaus.
  • Zunächst berichtete Prof. Dr. Konrad Bedal, Direktor des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim, in einem persönlich gehaltenen Vortrag über die Bedeutung Eitzens für die Hausforschung, wie er sie bei eigenen Forschungen in Schleswig-Holstein und Franken erlebt hatte. Bedal schilderte die zunächst eher abweisenden Reaktionen Eitzens auf seine ersten Forschungsanfragen, aus denen sich aber bald ein herzlicher, persönlicher Austausch entwickelte. Der Referent bestätigte die Fähigkeit Eitzens, in einem in den 1950er und 1960er Jahren noch viel umfangreicheren ländlichen Baubestand gezielt die ältesten Beispiele zu entdecken – als wesentliche Grundlagen für spätere, flächendeckende Forschungen. Bedal bedauerte, daß Eitzen viele süddeutsche Regionen nur sporadisch auf Urlaubsfahrten erforschen konnte. So entstanden etwa einige wertvolle Bauaufnahmen aus dem Altmühlgebiet, einer Landschaft mit einem damals noch in großem Umfang erhaltenen, aber kaum bekannten mittelalterlichen Baubestand, der heute bis auf geringe Reste verschwunden ist.
  • Ulrich Klein M.A. (Marburg) gab einen profunden Überblick über die ländliche Hausforschung in Hessen, die mit fotografischen Aufnahmen durch den Provinzialkonservator Ludwig Bickell im späten 19. Jahrhundert begann und von Hausforschern wie Heinrich Walbe und Heinrich Winter fortgesetzt wurde. Im ländlichen Bereich erstellte Karl Rumpf verdienstvolle, auch Details des Innenausbaus berücksichtigende Dokumentationen, doch waren seine Texte nicht frei vom völkischem Zeitgeist des frühen 20. Jahrhunderts. Auffällig ist, daß Eitzen in Hessen nur wenig tätig war – offenbar respektierte er die Arbeitsgebiete seiner damaligen Kollegen und hielt die Region für ausreichend erforscht. Andererseits zeigen seine wenigen Aufmaße hessischer Bürgerhäuser (etwa in Grebenstein, Fritzlar, Spangenberg oder Homberg/Ohm) im Vergleich etwa zu den von Winter verwendeten studentischen Aufmaßen, wie viel mehr an Erkenntnisgewinn zur Baugeschichte mit Eitzens „gefügekundlichem Blick” hier möglich gewesen wäre – was die späteren Arbeiten der Marburger Bauforschung seit ca. 1975 nur bestätigten.
  • Wesentlich stärker orientierte sich Eitzen ins Rheinland, wo er nach der Überarbeitung der Dissertation von Hans Ried über das Bauernhaus im niederbergisch-westfälischen Grenzgebiet (1955) schon im Vorfeld seiner Anstellung am Rheinischen Freilichtmuseum Kommern (1958) tätig wurde. Über seine Forschungen am Mittel- und Oberrhein sowie im Elsass berichtete Klaus Freckmann anhand zahlreicher Beispiele – aus organisatorischen Gründen erst am späten Nachmittag. Auch hier setzte Eitzen Maßstäbe und legte Grundlagen, auf denen die ländliche Hausforschung im Rheinland bis heute aufbauen kann.
  • Der anschließende Vortrag von Dr. Dietrich Maschmeyer „Bauernhausforschung 1906 – 1956 – 2006. Bilanz und Perspektiven” verstand sich als ein kritischer Gesamtüberblick der letzten 100 Jahre – von der ersten reichsweiten Bestandsaufnahme 1906 („Das Bauernhaus im Deutschen Reiche und seinen Grenzgebieten”) über die „Epoche der Gefügeforschung” nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Arbeiten Eitzens und anderer bis zur gegenwärtigen Situation, die der Referent sehr kritisch einschätzte (Abdruck im HN 6, 2006, S. 28-36). Aufgrund schwindender Mittel und Möglichkeiten der Denkmalpflege sowie eines anhaltenden Desinteresses von Freilichtmuseen und universitärer Volkskunde sei es vor allem die ehrenamtliche, von Vereinigungen wie der IGB getragene Bauernhausforschung, die neue Entdeckungen und unerwartete Ergebnisse erbringe. Angesichts eines rapide abnehmenden historischen Baubestandes forderte Maschmeyer umfassende Bestandsaufnahmen und regionale Publikationen nach dem Vorbild der erfolgreichen „Schweizerischen Bauernhausforschung”. Weiterhin regte er dringend an, einen „Dokumentationsvorbehalt” bei unvermeidlichen Abbrüchen von Baudenkmälern einzuführen, wie er in der archäologischen Denkmalpflege seit langem Standard sei, um wenigstens den historischen Informationsgehalt der Denkmäler für die Forschung zu retten.
  • Maschmeyers Vortrag forderte den vehementen Widerspruch einiger Teilnehmer heraus: Dr. Wolfgang Rüther verwies auf mehrere volkskundliche Forschungsprojekte zum ländlichen Hausbau in Niedersachsen, die in den letzten Jahren mit Unterstützung der Denkmalpflege erfolgreich durchgeführt worden sind (Anm. der Verf.: Volker Gläntzer, Bernd Lohmann, Wolfgang Rüther: Projekt „Gulfhäuser in Ostfriesland"; Olaf März und Svenja Zell: „Kulturraum Oberweser"). Weiterhin regte Rüther eine engere Zusammenarbeit der IGB mit dem niedersächsischen Heimatbund an. Dr. Thomas Spohn (Münster) und andere anwesende Vertreter der Denkmalpflege verwahrten sich energisch gegen den Vorwurf mangelhafter Inventarisation und Forschung seitens der Denkmalpflege, den sie als persönlichen Angriff empfanden. Sie machten deutlich, daß diese Tagung nicht der geeignete Ort sei, um über eine Aufgabenkritik der Denkmalpflege zu diskutieren. Andererseits merkte Dr. Klaus Püttmann (Lüneburg) an, daß es für die tägliche politische Auseinandersetzung auch durchaus hilfreich sein könne, wenn eine bürgerliche Interessengruppe wie die IGB offensiv von der Denkmalpflege ein stärkeres Engagement für die Erforschung der ländlichen Bausubstanz verlange – sehe sich diese doch zumeist konträren Forderungen von Kommunal- und Landespolitikern ausgesetzt, ihre Aktivitäten noch weiter einzuschränken.
    Abseits von allen persönlichen Empfindlichkeiten bleibt festzuhalten, daß Vortrag und Diskussion einen erheblichen Handlungsbedarf aufzeigten im Hinblick auf eine systematische Erforschung des ländlichen Bauerbes als Weg zu seiner Erhaltung. Erfolgversprechende Strategien dazu können nur im kollegialen Austausch zwischen Denkmalpflege, Universitäten und Freilichtmuseen sowie freiberuflicher und ehrenamtlicher Hausforschung gefunden werden. Die Anregung Maschmeyers, gemeinsam mit dem Deutschen Nationalkomittee für Denkmalschutz eine öffentlichkeitswirksame Tagung zu Perspektiven der ländlichen Hausforschung und Denkmalpflege durchzuführen, war als erster Schritt in dieser Richtung gedacht. Nach kurzer, erneut kontroverser Diskussion wurde der Vorschlag als Chance zur Vertiefung und Versachlichung der Debatte begrüßt, die aber eine intensive inhaltliche Vorbereitung durch die beteiligten Partner IGB und Denkmalpflege erfordere; auch eine Beteiligung des AHF wurde als wünschenswert erachtet.
Nach der Mittagspause bot die Besichtigung des hinter dem Tagungslokal stehenden Altbaus des Gasthauses Müller, eines Zweiständer-Hallenhauses von 1681 mit erhaltenen Schwibbogen-Herden und einem hölzernen Tanzboden aus breiten, holzgenagelten Brettern auf der Diele eine willkommene Gelegenheit zur Abkühlung der erhitzten Gemüter. Die Familie Müller verdient Anerkennung für die Sicherung dieses wertvollen, kulturgeschichtlich aufschlußreichen, aber ungenutzten Altgebäudes – zu dessen langfristiger Erhaltung freilich noch ein Weg gefunden werden muß.
  • Die Nachmittagsvorträge boten aktuelle Forschungsergebnisse, die in vielfacher Hinsicht als Anknüpfungen an die Arbeiten Gerhard Eitzens gesehen werden können: Dr. Ulrich Klages verdeutlichte an Beispielen aus dem Landkreis Cuxhaven die „losen Enden”, d.h. ungelösten Ansätze Eitzenscher Forschungen, zu deren Lösung er wichtige Befunde beibringen konnte. Dazu gehören die in dieser Region ebenso wie in der Nordheide vorkommenden „Flettsäulen” und einige Beispiele von frühen Hallenhäusern, die überhaupt keine Flettzimmerung, sondern durchgehende Ständerreihen aufweisen.
  • In einem sehr anschaulichen und gut strukturierten Beitrag stellte Dr. Dirk Wübbenhorst (Clenze) von Eitzen untersuchte Bauernhäuser im Hannoverschen Wendland (Lk. Lüchow-Dannenberg) vor und zeigte in einer kurzen Statistik auf, wie viele davon heute noch erhalten sind. Anschließend demonstrierte er an einigen Beispielen, ob und inwieweit sich die manchmal widersprüchlichen Rekonstruktionen Eitzens noch am heutigen Baubestand nachvollziehen lassen. Die Berichterstatter hätten sich für eine „Eitzen-Tagung” mehr konkrete Vorträge dieser Art gewünscht, die in klaren Worten und mit Blick auf den erhaltenen Baubestand einer Region die Arbeiten Eitzens einer quellenkritischen Überprüfung unterziehen.
  • Heinz Riepshoff berichtete anhand eines erhaltenen Briefwechsels zwischen dem ehrenamtlichen Leiter des Kreismuseums Syke und dem Direktor des Historischen Museums in Hannover über aufschlußreiche archivalische Quellen zur ländlichen Hausforschung im „Dritten Reich” und der frühen Nachkriegszeit. Zuletzt wure auch Eitzen in den Briefwechsel über das Syker Museum und einige angeblich besonders alte Bauernhäuser in der Region einbezogen. Mehrere Zeitungsartikel aus den Jahren 1959 bis 1968, die Riepshoff anschließend vorstellte, belegen den Abbruch von Bauernhäusern in Martfeld und anderen Orten der ehemaligen Grafschaft Hoya, die in das neu gegründete Freilichtmuseum Kommern (Eifel) wanderten. Dort wurden sie nicht etwa, wie in der Presse zunächst angenommen, wiedererrichtet, sondern als Ersatz- und Reparaturholz für andere Museumsgebäude verwendet. Diese bedenkliche Praxis, die schon in einem Artikel von 1967 als „Ausverkauf von Fachwerkhäusern” kritisch beurteilt wurde, ist möglicherweise auf die Tätigkeit von Gerhard Eitzen am Rheinischen Freilichtmuseum (seit 1958) zurückzuführen, der aber in den Presseberichten nicht erwähnt wird.
  • Dr. Heinrich Stiewe (Wellentrup/Detmold) stellte mehrere Befunde aus Norddeutschland vor, die eine Ablösung des „frühgeschichtlichen” Pfostenbaus durch den Ständerbau auf Schwellen oder Fundamentsteinen beim niederdeutschen Hallenhaus erst im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts nahelegen. Schon am Vorabend konnten die Tagungsteilnehmer im Museumsdorf Hösseringen drei Pfostenstümpfe besichtigen, die unter der linken Kübbungswand eines 1535 und 1547 (d) datierten Zweiständer-Hallenhauses in Bockelskamp (Kr. Celle) geborgen und von Erhard Preßler auf „ca. 1450” (d) datiert worden waren (zum Gebäude s. Ulrich Klages im HN 5, 2006, S. 22-25).
  • Als sensationell ist der Fund eines Zweiständer-Innengerüstes von 1479/80 (d) in einem Heuerhaus des Hofes Wehlburg in Wehdel (Lk. Osnabrück) zu bezeichnen, über den Erhard Preßler anschließend berichtete – das älteste derzeit bekannte, fast vollständig erhaltene Hallenhausgerüst in Niedersachsen. Dr. Hermann Kaiser (Cloppenburg) steuerte Informationen zur archivalischen Überlieferung zu der berühmten Hofanlage „Wehlburg” bei, die 1973-75 ins Museumsdorf Cloppenburg transloziert worden ist, während das Heuerhaus am alten Standort verblieb (vgl. den Bericht von Volker Gläntzer im HN 6, 2006, S. 41-47).
  • Zum Abschluß berichtete Prof. Dr. Frank Braun über seine Lehrtätigkeit an der (Fach-) Hochschule Wismar – als ein vorbildliches Beispiel für die heutige Vermittlung von Kenntnissen und praktischen Fähigkeiten in der historischen Bau- und Hausforschung in der Ausbildung von Architekten und Bauingenieuren. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Präsentation von Forschungsergebnissen im Internet. Ergebnisse eines Forschungsprojektes zur Baustruktur der Städte Wismar und Stralsund im 17. Jahrhundert mit Dokumentationen zahlreicher Einzelbauten finden sich unter www.bau.hs-wismar.de/braun/wismar/index.html sowie: www.bau.hs-wismar.de/braun/stralsund/. Zum gemeinsam mit der Universität Rostock durchgeführten Gesamtprojekt „Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum” siehe www.uni-rostock.de/fakult/philfak/imd/forschung/homemare2/homeMaBa.htm

    Eine Schlußdiskussion unter der bewährten Leitung von Ulrich Klein faßte die wichtigsten Ergebnsse der zwischendurch recht kontroversen Diskussionen zusammen. Auch wurde über kommende Tagungen gesprochen. Der im Vorfeld gemachte Vorschlag, das reguläre Frühjahrstreffen 2007 ausfallen zu lassen, um eine „Inflation der Termine” zu vermeiden, wurde von der Versammlung abgelehnt. Stattdessen nahmen die Teilnehmer die Einladung von Heinrich Stiewe an, die nächste Tagung der AG Haus- und Gefügeforschung im März 2007 in Detmold durchzuführen. Thema der Tagung, die vom 16. bis 18. März 2007 im Freilichtmuseum Detmold stattfinden wird und zu der bereits im letzten Holznagel eingeladen wurde, werden „Historische Wirtshäuser und Häuser von Gewerbetreibenden auf dem Lande” sein.

Exkursion: Hallenhäuser und Glocken­türme in der Südheide

Die Exkursion am Sonntag, 5. November, führte zu frühen Hallenhäusern, kirchlichen Bauten und Glockenstühlen der Lüneburger Heide in der näheren Umgebung des Tagungsortes Suderburg.

 Am Anfang stand das kürzlich renovierte Hallenhaus Bahnser Str. 2 in Dreilingen mit Außenwänden von 1711 (i) und Veränderungen des 19./20. Jahrhunderts. Das ältere Innengerüst, das bereits von Gerhard Eitzen entdeckt und untersucht worden war, konnte auf 1560 (d) datiert werden.



Der Wohngiebel des alten, inzwischen nicht mehr bewohnten Hallenhauses, des Gasthauses Müller.  
Ulrich Klages hat ein Loch gefunden
Mit den Bauernhäusern Lintzel, Am Forsthaus 2 (um 1550 d, Außenwände 1822/1842i) und Wettenbostel Nr. 3 (1571 d, Außenwände 19. Jh.) wurden zwei Hallenhäuser mit Spuren früherer Ständerbohlenbauweise vorgestellt, die schon Ende der 1980er Jahre von Hubertus Michels und Heinrich Stiewe im Auftrag des Museumsdorfes Hösseringen untersucht worden waren.
Die Außenhülle dieses liebevoll gepflegten Hauses
stammt aus dem Jahr 1711 (i).
Wieviel staunende Hausforscher passen in ein Hallenhaus?
Das war in diesem Hallenhaus in Dreilingen, aber nicht die Fragestellung.  
Von besonderem Interesse war natürlich das Innengerüst
aus dem Jahr 1560 (d), dem auch schon Gerhard Eitzen
seine besondere Aufmerksamkeit widmete. 






Innenaufnahmen in einem Haus in Lintzel
mit einem Dielengerüst um 1550 (d)





Herdwandknotenpunkt mit Luchtbalken und verzierter Knagge
von 1571 (d) in einem Haus in Wettenbostel.
 
Flettgerüst
Dielengerüst
Auf dem Hof in Wettenbostel, abseits des Hallenhauses,
stand auch dieser für die Gegend typische Treppenspeicher.
Neben der Kirche in Eimke wurde ein freistehender, hölzerner Glockenstuhl mit großen angeblatteten Strebenkreuzen aus der Zeit um 1500 besichtigt, der ebenfalls schon von Eitzen aufgemessen worden war. 

Blick in den hölzernen Glockenstuhl der Kirche in Eimke. Die langen, angeblatteten Strebenkreuze stammen aus der Zeit um 1500. 



Der Glockenturm und die mehrarmige mächtige Eiche 

bilden eine einmalige Symbiose.
Eine Neuentdeckung der letzten Jahre ist dagegen der anschließend besuchte, 1368 (d) datierte Glockenstuhl in dem möglicherweise noch älteren runden Feldsteinturm der Kirche in Suderburg. Die zugehörige barocke Fachwerkkirche von 1753 (mit bauzeitlichem Kanzelaltar und einer mittelalterlichen Kastentruhe mit Eisenbeschlag von ca. 1303 d) und das vor ca. 10 Jahren vor dem Abbruch gerettete Fachwerk-Pfarrhaus, das 1790 der Zimmermeister Klinge wohl nach einem Modellentwurf errichtete (identisch mit Altenmedingen, Landbaumeister Behrens, 1794; Erläuterungen vor Ort von Wolfgang Rüther), bilden ein eindrucksvolles Zentrum des alten Heidekirchspiels Suderburg.


In dem runden Feldsteinturm der Suderburger Kirche
 hatten wir die Möglichkeit, den Glockenstuhl
aus dem Jahr 1368 (d) zu besichtigen.
ein glücklicher Hausforscher
Ein pfannengedeckter Außenschafstall am Ortsrand von Suderburg (Außenstelle des Museumsdorfes Hösseringen) überraschte mit hölzernen Wendebäumen an den Toren und kurzen eingegrabenen vierkantigen Pfosten zwischen den wuchtigen Findlingsfundamenten, die die Schwellen der wandlosen Dachkonstruktion zusätzlich verankern sollten – ein würdiger Abschluß einer spannenden Exkursion.


Weiterführende Literatur

Gerhard Eitzen: Bauernhausforschung in Deutschland. Gesammelte Aufsätze 1938-1980. Heidenau (PD-Verlag) 2006 – erhältlich bei der IGB, s. „Gelbe Seiten” in diesem Holznagel!

Fred Kaspar: Stabbau, Ständerbohlenbau, Fachwerk. Zur Frühgeschichte des Holzbaus in Nordwestdeutschland. In: Günter Wiegelmann, Fred Kaspar (Hg.): Beiträge zum städtischen Bauen und Wohnen in Norddeutschland, Münster 1988, S. 59-77

Ulrich Klages: Frühe Varianten des Dielen-Flett-Gefüges in Bauernhäusern der Nordheide. In: Lüneburger Blätter 27/28, 1987, S. 49-76

Horst W. Löbert (Hg.): Die ältesten Bauernhäuser der Lüneburger Heide. Mit Beiträgen von Gerhard Eitzen, Ulrich Klages, Hubertus Michels und Heinrich Stiewe (Landwirtschafts¬museum Lüneburger Heide, Materialien zum Museumsbesuch 14). Suderburg-Hösseringen 1993

Wolfgang Rüther: Pfarrhäuser in der Lüneburger Heide vom 17. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert. In: Thomas Spohn (Hg.): Pfarrhäuser in Nordwestdeutschland (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, 100). Münster (Waxmann-Verlag) 2000, S. 477-500

Heinrich Stiewe: Ländliches Bauen zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit. Ergebnisse und offene Fragen zum älteren Hausbau in Nordwestdeutschland. In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 54, 2006, Heft 1, S. 9-36

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