3. April 2011

Bauen und Bauten des niederen Adels in Nordwestdeutschland

Treffen am Freitag Nachmittag im historischen Rittersaal auf der Iburg -
mit Begrüßung durch Bürgermeister und Landrat
und anschließender Besichtigung der Burganlage
Vom 25. bis 27. März 2011 fand im Osnabrücker Land in Bad Iburg die 23. Jahrestagung des Arbeitskreises für ländliche Hausforschung des AHF und der IGB in Nordwestdeutschland statt. Das Hauptthema dieser Tagung: Bauen und Bauten des niederen Adels in Nordwestdeutschland. Hier die Einleitung aus der Tagungseinladung:
"... damit wollen wir kein Themenfeld eingrenzen, sondern Grenzen überschreiten, Übergänge ermöglichen, Beziehungen erkennen: sozial determinierte, ständische, bau- und funktionstypologische, aber auch forschungsdisziplinäre. So mag es an der Nahtstelle zwischen bäuerlicher und nichtbäuerlicher Oberschicht, ländlichem Adel und städtischem Patriziat um Ähnlichkeiten und Anpassungen, um Unterschiede und Distinktionen im Bauen, Wohnen und Wirtschaften gehen, um die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Randbedingungen, um lokale und überregionale Orientierungen usw. Dabei könnte das 16. Jahrhundert als eine vermutliche Umbruchszeit von besonderem Interesse sein."
Der Landkreis Osnabrück mit einer großen Zahl gut erhaltener ländlicher Adelssitze erwies sich als ideale Tagungsregion des 23. Treffens des Arbeitskreises für ländliche Hausforschung in Nordwestdeutschland, mit dem Thema "Bauen und Bauten des niederen Adels in Nordwestdeutschland" .
Als gemeinsame Veranstaltung des Arbeitskreises für Hausforschung (AHF) und der Interessengemeinschaft Bauernhaus (IGB) hat das nordwestdeutsche Hausforschertreffen bereits eine über 20-jährige Tradition; in diesem Jahr fand es in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD) und der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Osnabrück statt.
Mit knapp 100 interessierten Teilnehmer/innen aus Denkmalpflege, Museen, freiberuflicher und ehrenamtlicher Bauforschung war die Tagung sehr gut besucht, die von Volker Gläntzer (NLD) und Elisabeth Sieve (Landkreis Osnabrück, Untere Denkmalschutzbehörde) vorbereitet worden war.
Nach einer Führung durch die ehemalige fürstbischöfliche Residenz Schloss Iburg begrüßten Landrat Manfred Hugo (Landkreis Osnabrück) und Bürgermeister Drago Jurak (Bad Iburg) die
Tagungsteilnehmer im restaurierten barocken Rittersaal der Burg.
In einem öffentlichen Abendvortrag erörterte Dr. Stefan Winghart, Präsident des NLD, die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für die Denkmalpflege, die aber dennoch eine wichtige kulturpolitische Aufgabe bleibe, aus der sich die öffentliche Hand nicht zurückziehen dürfe.

Ca. 100 Teilnehmer/innen trafen sich von Freitag Nachmittag bis Sonntag zu dieser von AHF und IGB organisierten 23. Hausforschertagung in Bad Iburg bei Osnabrück. Während der Freitag für Begrüßung und gemütliches Beisammensitzen (man kennt sich in der "Hausforscherfamilie” seit vielen Jahren) genutzt wurde, ging es am Samstag, dem Vortragstag "hart zur Sache”. 22 spannende Vorträge mit anschließenden Diskussionen fesselten die Teilnehmer/innen über 12 Stunden, nur unterbrochen zur Kaffee- und Nahrungsaufnahme.

Das Vortragsprogramm 
  • Nicolas Rügge (Staatsarchiv Osnabrück) eröffnete den Vortragstag mit einer konzisen Einführung zu den historischen Rahmenbedingungen des ritterschaftlichen Adels im Hochstift Osnabrück. Mit etwa 120 Rittersitzen, von denen etwa 60 ins Mittelalter zurückreichen, hat der niedere Adel die Kulturlandschaft vor allem in den fruchtbareren Teilen des Osnabrücker Landes bis heute geprägt. Im 16. Jahrhundert entstanden zahlreiche ländliche Rittersitze, deren "eigentlicher Reichtum" in den Abgaben zahlreicher abhängiger Bauernhöfe bestand. 
  • Es folgte ein typologischer Überblick zu Fachwerk-Herrenhäusern des Landadels in Nordwestdeutschland von Sonja Michaels (Stadtmuseum Frankfurt). Sie unterschied aus dem traditionellen Bauernhaus entwickelte "herrschaftliche Hallenhäuser" und ein- bis zweistöckige Fachwerk-Traufenbauten mit hoher Eingangshalle (Diele). Insbesondere die zahlreichen adligen Wohnbauten in Form von Hallenhäusern standen im Mittelpunkt vieler Beiträge; sie wurden von der älteren Forschung wenig beachtet und oft als Wirtschaftsgebäude missverstanden. 
  • Dietrich Maschmeyer (Bundesvorsitzender der IGB, Recklinghausen) zeigte die bauliche Vielfalt von adligen Landsitzen im westfälischen Münsterland. Neben den Herrenhäusern spielen hier vor allem repräsentative Torhäuser und "Bauhäuser" als hallenhausartige Wirtschaftsgebäude auf der Vorburg eine wichtige Rolle. 
  • Heinrich Stiewe (LWL-Freilichtmuseum Detmold) stellte mehrere adlige Hallenhäuser des 16. Jahrhunderts aus Ostwestfalen- Lippe vor, darunter den 1577 erbauten Valepagenhof aus Delbrück, der heute im LWL-Freilichtmuseum Detmold steht. Hermann Kaiser präsentierte ein bäuerliches Zweiständer-Hallenhaus von um 1540 (d) aus Nortrup (Lkr. Osnabrück), das Ende des 16. Jahrhunderts von der ritterlichen Familie Voß durch eine verbreitete Form des "Bauernlegens" mit Abfindung der Bauernfamilie in einen Adelssitz umgewandelt worden ist. Das wertvolle Gebäude wurde um 1980 für das Museumsdorf Cloppenburg abgetragen und wartet noch auf seinen Wiederaufbau. 
  • Die folgende Sektion "Der Städter auf dem Lande" eröffnete Fred Kaspar mit einem bau- und kulturgschichtlichen Überblick zu Landsitzen wohlhabender Stadtbürger in der Umgebung Münsters. Diese Güter wurden von Pächtern bewohnt und bewirtschaftet, während den bürgerlichen Eigentümern ein aufwändig gestalteter Wohnteil als "Sommerfrische" zur Verfügung stand - bei Versorgung durch den Haushalt des Pächters. 
  • Weitere Beispiele verschwundener bürgerlicher Landsitze aus der Umgebung der westfälischen Städte Warendorf (Laurenz Sandmann, Warendorf) und Minden (Peter Barthold, Münster) machten deutlich, dass Bauforschung auch historische Bild- und Schriftquellenforschung bedeutet.
  • Aktuell untersuchte Fallbeispiele waren das Thema der folgenden Sektion nach der Mittagspause: Vorgestellt wurden adlige bzw. herrschaftliche Hallenhäuser auf den Gütern Koppel bei Verden (Heinz Riepshoff), Mulmshorn und Bockel, Lkr. Rotenburg (Wolfgang Dörfler) sowie dem Amtsvorwerk Moisburg, Lkr. Harburg (Nils Kagel, Freilichtmuseum am Kiekeberg). 
  • Anschließend gab Erhard Preßler einen europaweiten Überblick zu zisterziensische Großscheunen (Grangien) des 13. und 14. Jahrhunderts in Südengland, Nordfrankreich und Flandern als möglichen Vorläufern des Gulfhauses. 
  • Wolfgang Rüther berichtete über Gulfscheunen auf landesherrlichen Domänen in der Krummhörn (Ostfriesland), die dort im Verlauf des 17. Jahrhunderts als frühmoderne Großwirtschaftsbauten wohl nach niederländischen Vorbildern entstanden. 
  • Weit über den nordwestdeutschen "Tellerrand" blickte Ariane Weidlich (Oberbayerisches Freilichtmuseum Glentleiten) auf repräsentative Baugestaltungen großbäuerlicher Eliten in Oberbayern, die in der dortigen Forschung als "Bauernadel" bzeichnet werden. 
  • Es folgten einige aktuelle Forschungsberichte zum "Brunotteschen Hof" in Rheden-Wallenstedt (Lkr. Hildesheim, Stefan Haar)
  • Hallenhäusern des Schaumburger Landes (Ulrich von Damaros, Rinteln) 
  • und einem Dissertationsprojekt zum ländlichen Hausbau in Vorpommern (Mario Schmelter, Greifswald).
  • Eine letzte Sektion nach dem Abendessen führte zurück zu Tagungsthema und -region mit Vorträgen über Wasserburgen im Grönegau (Maren Tamson und Lea Rattmann), 
  • Steinwerke in Osnabrück (Carolin Sophie, Prinzhorn) und 
  • Kapellenbauten des niederen Adels im Fürstbistum Osnabrück (Josef Herrmann). 
  • Zwei Beiträge über Bauten des Hannoverschen Oberhofbaudirektors Friedrich Karl v. Hardenberg (Bernd Adam) und Wohnbauten westfälischer Damenstifte (Thomas Spohn, Münster) beschlossen den langen Vortragstag. 
Die Exkursion 
Der Sonntag war wie immer für die Exkursion reserviert. In 2 Reisebussen ging es zu sechs Beispielen adliger Landsitze im Landkreis Osnabrück und ins südlich angrenzende Münsterland in fruchtbarer Kooperation mit der LWL-Denkmalpflege in Westfalen (Fred Kaspar).
Insgesamt bot die Tagung anhand von aktuellen Forschungsergebnissen einen breiten Überblick zum adligen und bürgerlichen Bauen und Wohnen auf dem Lande zwischen dem Spätmittelalter und dem 19. Jahrhundert; die Herausgabe eines Tagungsbandes ist geplant.

 Die folgenden Fotos geben einen kleinen Überblick über die Exkursion: 

Gut Scheventorf, in Bad Iburg -
war ursprünglich mit einem Wassergraben umgeben
Gut Scheventorf,
Eingangssituation des Herrenhauses
nur noch das Viehhaus des ehem. Gutes Schleppenburg
ist heute vorhanden
Dielentor des Viehhauses (1615/1656)
Gut Sondermühlen in Melle,  heutige Burganlage von 1558 - 1591
Diele des Wirtschaftsgebäudes (1576 d) auf Gut Sondermühlen
Haus Lohfeld in Everswinkel - der Wirtschaftsteil
Haus Lohfeld: Anbau von 1748 am Herrenhaus
Hof Schulze Raestrup in Telgte -
das Torhaus (1848) des umgräfteten Hofes
Hof Schulze Raestrup -
links der 1790 errichtete Speicher mit Wohnteil,
rechts das 1854 "versteinerte" Haupthaus
Haus Brückhausen Everswinkel - Gutsanlage, um 1600
Haus Brückhausen - das Herrenhaus,
die oberen Geschosse dienten der Getreidelagerung

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