17. Juli 2012

Fragen über Fragen – ein Sommerrätsel.

Die rätselhaften Datierungen in Siebenbürgen

Expedition unterm Kirchendach
Vier Wochen ist es her, seit unserer Rückkehr aus Siebenbürgen. In dieser Zeit wurden mehr als 200 Dendroproben ausgewertet und mit Daten und Informationen aus Archiven, Veröffentlichungen und vorhandenen inschriftlichen Datierungen abgeglichen und müssen letztenendes richtig interpretiert werden.
Daß das keine leichte Aufgabe ist, und auch einmal zu unterschiedlichen Meinungen führen kann, gibt das folgende Mail-Diskussions-Protokoll wieder:

9. Juli 2012 12:05
Liebe Freunde,
nun stehen alle Dendroergebnisse zu unserer Reise im Netz: http://www.pressler.com.de/deutsch/projekte/rumnien-1 Die Daten sind neu organisiert, deshalb funktioniert der alte Link nicht mehr. Auf der Projektseite „Rumänien“ ist jetzt der Zugang nach Dörfern aufgeschlüsselt und von dort aus zu erreichen.
Der nächste Schritt wird die Einbindung der Daten der Kampagne des vergangenen Jahres von Heinz sein. Danach die Aufbereitung der Archivdaten für Birthälm. (An Jan: gibt es greifbares Material auch für die anderen Kirchenburgen?)
Die englische Version der Eingangsseite zum Projekt ist ebenfalls aktualisiert. Wir können daher unsere Kontaktpersonen in Rumänien mit der Information versorgen, dass die Dendroergebnisse jetzt nachzulesen sind. Wenn mir Volker die Liste der Kontaktpersonen zur Verfügung stellt, kann ich diese Aufgabe übernehmen.
Herzliche Grüße
Erhard

9. Juli 2012 12:27
Lieber Erhard,
das sind eindrucksvolle Ergebnisse in schön aufbereiteter Form, gute Arbeit!
Immerhin reicht die Bauchronologie schon bis in das 16. Jahrhundert zurück - in dem langen siebenbürgischen Mittelalter...
Herzliche Grüße
Heinrich

9. Juli 2012 12:31
Lieber Erhard, das ist phantastisch, mein Glückwunsch! Ich reiche den Hinweis weiter an Zoltan und an Caroline …
Herzlichen Gruß
Haio

9. Juli 2012 17:45
Liebe Freunde,
zunächst auf Wunsch von Volker zwei Fotos der Datierung 1558 am Ratsturm in Birthälm. Es sind zwei verschiedene Inschriften mit dem selben Datum an einem Balken. Zu Heltau ein Foto, wo Erhard den Ständer bohrt, der die Inschrift 1595 trägt. Rätsel über Rätsel.
Herzliche Grüße Heinz

zwei inschriftlich datierte Hölzer …
… in Birthälm (1558)
Dendroprobenentnahme im Dachwerk der Kirche in Heltau

9. Juli 2012 19:08
Ja, wunderbar und viele Überraschungen.
Ich würde den Link gerne auch an Interesssierte in RO weitergeben, z.B. an die Leitstelle Kirchenburgen, Herrn Niedermaier u.a.
Eine kleine Korrektur noch: der Torkelbaum vom Weinkelter war m.W. nicht in Ricis, sondern in Alzen, im Garten der Gebrüder Vaida, die sich sicherlich auch sehr für die Datierungen interessieren werden.
Eine Quelle für die Baudaten der Kirchenburgen ist der Kirchenburgenatlas von Hermann Fabini, allerdings sicherlich bei weitem nicht so ergiebig wir Salzer in Birthälm.
Ich fahre morgen wieder nach Siebenbürgen, bin dort wieder sehr eingespannt und werde einfach mal viele Grüße von euch übermitteln.
Gruß Jan

9. Juli 2012 20:43
Lieber Jan,
Du kannst den Link gerne weitergeben. Sobald ich die Adressenliste von Volker bekomme, werde ich alle unsere Kontaktpersonen in Rumänien darüber informieren.
Der Torkelbaum lagert – wie Du richtig bemerkst – zwar in Alzen. Die Information der beiden Brüder lautet jedoch, dass er aus Ricis stammt.
Herzliche Grüße und gute Reise
Erhard

9. Juli 2012 21:22
Lieber Heinrich,
dank für den Hinweis. Wurde bereits geändert. Bei kritischer Durchsicht werden sicher noch mehr derartige Fehler auffallen. Deshalb bitte um Meldung, falls weitere Korrekturen erforderlich sein sollten.
Habe heute schon einmal eine erste Scheune aus Viscri eingestellt, damit die Headline des Textes stimmt.
Herzliche Grüße
Erhard

10. Juli 2012 00:47
Hallo Heinz, hallo Erhard,
was ist denn bei den inschriftlich datierten Hölzern in Birthälm (1558) und Heltau (1595) herausgekommen?
Gibt es Übereinstimmungen mit den inschriftlichen Daten oder Widersprüche?
Herzliche Grüße
Heinrich

10. Juli 2012 12:08
Lieber Heinrich,
soweit bekannt, habe ich die inschriftlichen Daten dem Text noch hinzugefügt. Manche passen, manche geben Rätsel auf. Wie z.B. das Dachwerk in Heltau mit der inschriftlichen Datierung 1595. Das Dendrodatum lautet hingegen: 1829.
Die Scheunen stehen ab sofort auch im Netz. Alles unter den Ortsnamen einsortiert. http://www.pressler.com.de/deutsch/projekte/rumnien-1 Damit sind jetzt alle Gebäude veröffentlicht. Heinz würde ich noch einmal um die Kontrolle der Zuordnung der Fotos bitten und, falls vorhanden, mir ein Foto vom Dachwerk der Kirche in Mardisch schicken.
Herzliche Grüße
Erhard

10. Juli 2012 12:11
Dank an Heinz für die Bilder.
Ich hatte mich erst nicht daran erinnert, daß wir in Heltau den datierten Ständer gebohrt hatten, aber der Beweis ist ja eindeutig. Nun meine ich, es sei die letzte oder vorletzte Probe gewesen, dann also eine derer, die nicht datiert werden konnten. Das gibt etwas Interpretationshoffnung (kann Erhard sagen, warum die Proben nicht datiert werden konnten?)! Denn das Dach – oder eher nur der Stuhl – könnte ja leicht und wohl nur in Teilen erneuert bzw. repariert worden sein. Das Phänomen hatten wir ja auch in Birthälm. Deshalb war es vielleicht auch nicht so pfiffig, nur Stuhlsäulen gebohrt zu haben, obwohl wir vor Ort in der Stuhlkonstruktion reichlich Hölzer in Zweitverwendung erkannt hatten(und selbst auf den Photos erkennen können).
Selbst wenn das stimmen sollte, erklärt es natürlich nicht die Diskrepanz im Ratsturm.
Oh, oh, oh!
Viel Erfolg beim Sommerrätsel und herzliche Grüße
Volker

Für Erhard noch zwei Bilder, die m. E. den Fruchtkasten in Trappold richtig zeigen.

Fruchtkasten in der Kirchenburg in Trappold …
… und Datierung in demselben

10. Juli 2012 12:35
… siehe da, es gibt auch Lösungen. Mir war die Datierung im Fruchkasten von Trappold nicht gegenwärtig. Eine wunderbare Bestätigung für die Dendrodatierung. Wem es bereits aufgefallen ist: Die beiden Fensterhölzer scheinen aus frisch geschlagenen Bäumen zu stammen und datieren wie das Gebäude auf 1792. Auch ungewöhnlich. Normalerweise werden Schreinereiprodukte ja aus abgelagertem Holz hergestellt! Volker, meinen Dank für die Fotos vom Fruchtkasten. Daran haperte es tatsächlich.
Soweit meine Erinnerung reicht, müsste der inschriftlich datierte Ständer aus dem Dachwerk in Heltau die Proben-Nr. 04 sein: „Dachwerk, Mitte, 6. Ständer v.v.“ Dann wäre das Holz datiert und reiht sich in das Datum 1829 mit den anderen Hölzern ein.
Herzliche Grüße
Erhard

10. Juli 2012 15:06
Lieber Erhard,
der Befund in Heltau ist schon etwas irritierend... - hat man da eine alte Inschrift wieder angebracht oder wie ist das zu deuten?
Hast Du die 1558 bezeichneten Hölzer im Rathausturm in Birthälm auch beprobt (mit dem Ergebnis 1740 d) oder waren das andere Bauteile?
Herzliche Grüße
Heinrich

10. Juli 2012 16:07
Lieber Heinrich,
ich will mal antworten, da ich den Rathausturm auch beprobt habe. Ich habe den mit Kreide datierten Balken, und ich glaube noch 1 bis 2 andere, gebohrt. Das da etwas anderes bei heraus gekommen ist, als draufsteht, wundert zwischenzeitlich nicht wirklich. Heltau allerdings, mit der sorgfältig geschnitzten Inschrift lässt mich tatsächlich ratlos zurück. Ist in dem Protokoll die entsprechende Probe mit der inschriftlichen Datierung dokumentiert oder gibt es doch die Möglichkeit einer Verwechslung mit den letzten nicht ausgewerteten Proben?
Generell muss allerdings die Frage nach der Bedeutung von datierten Inschriften in Siebenbürgen gestellt werden. Jedenfalls ist die Übereinstimmung zwischen Daten von Inschriften und tatsächlichen Baudaten offensichtlich eher die Ausnahme. Bei den Scheunen gibt es relativ junge inschriftliche Daten von Zimmerleuten die auch tatsächlich stimmen, gleichzeit aber einen hohen Anteil von zweitverwendenten Hölzern, z. T. mit älteren Daten. Es bleibt Gott sei Dank noch viel zu erkunden.
Herzliche Grüße
Heinz

10. Juli 2012 16:10
Lieber Erhard,
ich weiß es einfach nicht mehr; auch die einfachste Kinderzeichnung wäre jetzt hilfreich. Der datierte Ständer stand doch östlich der „Abzweigung“ zum Nordturm; sind wir wirklich weiter Richtung Chor? Was sagt Heinz? Ich würde unter normalen Umständen meine Hand dafür ins Feuer legen, daß die Datierung echt ist. Ein Photo für die, die nicht dabei waren, anbei. Heinz hat aber bessere, auch von der ganzen Inschrift, und schickt sie vielleicht auch noch mal herum.
Herzlichst, Volker

10. Juli 2012 16:35
Lieber Heinrich,
Heltau: nach dem Befund kann man eigentlich nur davon ausgehen, dass eine alte Inschrift wieder angebracht (sauber ausgestemmt) wurde. Denn der Duktus entspricht dem einer Renaissanceschrift. Der Rathausturm in Birthälm scheint ähnlich gelagert, wenn auch hier das Datum nur aufgemalt. Die beiden Balken hat Heinz gebohrt. Ich denke es sind die mit Inschrift. Das Haus in Alzen hat auch eine irritierende Inschrift: 1870 und 1508. Wie sich bei der Dendrodatierung herausgestellt hat, trifft das Datum 1870 zu, aber weit und breit ist von dem Bau von 1508 nichts auszumachen. Treffen wir hier möglicherweise auf eine Tradition, Inschriften beim Neubau „mitzunehmen“? Heinz stellt die Frage, ob Inschriften z.B. als Urkunden verwendet wurden,um den Besitzanspruch über die Jahrhunderte sichtbar zu machen? Bei Kirchenbauten trifft diese Annahme sicher nicht zu. Oder ist es einfach die Tradition, ältere Inschriften an die Nachwelt weiterzugeben. Immerhin: drei Fälle sind nun bekannt, die Irritationen auslösen.
Herzliche Grüße
Erhard

10. Juli 2012 17:00
Lieber Erhard,
zunächst habe ich die Fotos der Scheunen und Ställe geprüft. Es ist alles i. O. Ich würde allerdings für Viscri 130 das anhängende Foto empfehlen, da ist einfach mehr drauf und die Scheune mit ihrer Mehrteiligkeit sichtbar. Zu Mardisch habe ich ein Foto vom Chor angehängt und zwei Fotos vom datierten Ständer im Chor. Neben der bekannten Inschrift gibt es eine weitere (schlechtes Foto) auf dem selben Ständer, gewissermaßen um die Ecke. Wenn wir die Inschriften mit Heltau vergleichen, was ja nahe liegt, stellt man aber fest, in Mardisch ist sie eindeutig vom Zimmermann, sogar mit Angabe des Tages. In Heltau könnte es jedoch ein Erinnerungsdatum sein, will heißen, man baut den Dachstuhl neu, schnitzt aber das ursprüngliche Datum, dann eben ohne Tag und Monat und vielleicht auch ohne Namen des Zimmermanns, in einen Ständer ein.
Mich würde ja nicht wundern, dass bei der konservativen Haltung der Sachsen, alte bekannte Baudaten generell bei Veränderungen, Reparaturen oder sogar bei völligem Ersatz, irgendwie wieder angebracht wurden. Dafür haben wir eine Reihe von Beispielen gesehen, das spektakulärste ist sicher Alzen 1508 i.
Herzliche Grüße Heinz

Dachwerk über dem Chor der Kirche in Mardisch
zwei Inschriften im Ständer über dem Chor

10. Juli 2012 17:08
… hier ist die Aufklärung: Es handelt sich tatsächlich um den 6. Ständer v.v. – das beigefügte Foto liefert den Beweis. Also Probe Nr. 04.
Ich habe mir die Schrift noch einmal angeschaut und meine, Ungereimtheiten feststellen zu können. Während die Jahreszahl 1595 sauber im Stil der Renaissance nachgeschnitten wurde, sind die Buchstabenfolgen MC und PC doch eher klassischer Art - Versalien mit Serifen. Hier scheint mir ein Bruch vorzuliegen. Vielleicht kann Jan ein Reparaturdatum für das Jahr 1829 festmachen, und wenn es glückt, auch die ausführenden Handwerker ermitteln. Vielleicht findet sich dann die Erklärung als Monogramm.
Herzliche Grüße
Erhard
das Dachwerk in Heltau mit der inschriftlichen Datierung 1595 - 
aber die Dendro brachte als Ergebnis 1829

11. Juli 2012 10:06
Liebe Freunde,
ja, das klingt wirklich rätselhaft...
Die Inschrift in Heltau sieht in der Tat renaissancezeitlich aus - das eingestemmte Jahr 1595 hätte ich nie bezweifelt. Die Kreideaufschriften in Birthälm können durchaus bei einer Renovierung von datierten Vorgängerbauteilen übernommen worden sein - sie machen ja auch einen etwas "provisorischen" Eindruck. Und nachträglich angebrachte, unzutreffende Inschriften wie bei dem Haus in Alzen sind hierzulande ja auch bekannt.
Die Annahme, dass ältere Inschriften aus Pietäts- oder Traditionsgründen wieder angebracht und damit der Nachwelt überliefert wurden, finde ich interessant und nachdenkenswert. Aus Lippe kenne ich auch Fälle, dass alte Torstürze mit Inschriften oder Jahreszahlen aus dem 16. Jh. in Neubauten sichtbar wieder angebracht worden sind - während zweitverwendete Hölzer sonst eher an verborgenen Stellen eingebaut wurden - durchaus schon 200 Jahre vor Baupflege und Heimatschutzbewegung.
Das sollten wir im Blick behalten...
Herzliche Grüße
Heinrich
Fortsetzung folgt …

1 Kommentar:

  1. Liebe Hausforscher,

    es macht Spass Eure Diskussionen zu lesen! Und weckt noch mehr Neugier darauf, bei den nächsten AHF/IGB Tagungen ein bisschen weiter in das "Balken-Lesen" einzusteigen. Ich freu' mich drauf!

    Viele Grüße

    Dirk

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