Die eindrucksvollen Haubarge faszinierten die Forscher schon lange. Seit vielen Jahrzehnten wurden und werden zahllose historische Informationen, Photos und Zeichnungen zusammengetragen - vom Landesamt für Denkmalpflege (Bericht Deert Lafrenz), vor allem aber von Privaten (Berichte von Peter Lückerath, Köln, Johannes Matthießen, St. Peter Ording und Dirk Meier, Wesselburen/Dithmarschen).
Ein Vorbild, das alles zusammenzuführen und zu erschließen, könnte das Bauernhausarchiv in Syke bei Bremen sein (Bericht Heinz Riepshoff).
Von besonderem dokumentarischem Wert ist, was Rudolf Muuß, als er in den 1920er Jahren Pastor in Tating war, systematisch sammelte und verarbeitete, aber nicht mehr zum Druck brachte, nachdem das zum Konkurrenzunternehmen gewordene Buch von dem Architekten und Hausforscher Friedrich Saeftel mit dem Titel „Haubarg und Barghus“ 1930 erschienen war. Nun aber soll dieses einzigartige Material publiziert werden und in einem Akt ausgleichender Gerechtigkeit auch einen anderen Blick auf die damalige Hausforschung ermöglichen, als sie der Techniker Saeftel vertrat (Bericht Gerd Kühnast und Johannes Matthießen).
Haubarge zeigen bis heute, wie die kleine Halbinsel Eiderstedt sozusagen mit der Weltgeschichte verknüpft war. Otto Knottnerus, Wirtschafts- und Sozialhistoriker aus den Niederlanden, spannte diesen weiten Bogen von den basilikalen Bauten des Mittelalters, den riesigen Zisterzienserscheunen und Markthallen vor allem in Nordwestfrankreich und Flandern über die davon angeregten Gutsscheunen und Gulfhausformen in den Niederlanden bis zu den von dort nach Eiderstedt exportierten und hier zum Haubarg gewordenen Hausformen. Aus der entscheidenden Phase dieser Entwicklung – der Wiederaufnahme der mittelalterlichen riesigen Bauformen bei kleinen Gütern und großen Bauern im 15. und frühen 16. Jahrhundert – zeigte Erhard Preßler mehrere Beispiele aus Nordfrankreich und den Niederlanden.
Was man, vor diesem großformatigen Hintergrund, durch die Kombination von penibler Bauforschung und Auswertung aussagekräftiger Archivalien an Zusammenhängen zwischen der Geschichte von Hausformen,Wirtschaftsformen, sozialen und politischen Strukturen alles erkennen kann, verdeutlichte Wolfgang Rüther anhand der Ergebnisse seiner Gulfhausuntersuchungen in der ostfriesischen Krummhörn.
Viel abstraktes Wissen! Aber für die konkrete Anschauung sorgte schon der Tagungsort, der Rote Haubarg, dessen komplizierte und in manchem noch rätselhafte Geschichte Ellen Bauer erläuterte.
Und am zweiten Tag lernten wir, von dem Eiderstedter Haubargkenner Johannes Matthießen geführt, noch fünf weitere Haubarge kennen, einer interessanter als der andere und – den freundlichen und großzügigen Eigentümern sei Dank! - fast bis in den letzten Winkel zu besichtigen. Über ganz Eiderstedt verteilt und mit Beispielen von 1609d bis 1870i praktisch die gesamte Zeit des aktiven Haubargbaus umfassend, war das ein echter Crash-Kurs in Haubargforschung.
Theoretische und praktische Anregungen also genug, um über weitere Schritte der Haubargforschung zu diskutieren. Mit den Initiatoren vor Ort hoffen wir, dass zunächst die Publikation des Werkes von Muuß gelingt. Unabdingbar schien allen eine systematische bauhistorisch-hauskundliche Inventarisierung des Bestandes mit möglichst vielen dendrochronologischen Untersuchungen, um die verschiedenen Bauvarianten zeitlich richtig einordnen und mit den so zahlreich gesammelten anderen Informationen erhellend verknüpfen zu können. Wir sind gespannt, wie es weitergeht, und freuen uns schon auf die nächste Arbeitstagung. Dass diese zweite – eine vorbereitende erste hatte bereits im Jahr zuvor stattgefunden - so ertragreich war, lag nicht zuletzt auch an der ausgesprochen angenehmen und anregenden Atmosphäre und dass wir auch kulinarisch so verwöhnt wurden; der Ausklang bei einem Pfannkuchenessen am Schweizerhaus im Garten des Hochdorfer Haubargs (wohl das bedeutendste bäuerliche Gartendenkmal in Schleswig-Holstein) war also eine passende Pointe. Allen Organisatoren ein herzliches Dankeschön!
Volker Gläntzer
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