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Fachwerkhäuser mit hölzernen Arkaden am Marktplatz in Mirepoix |
Am Morgen besuchen wir das kleine Städtchen Mirepoix auf halbem Wege zwischen Foix und Carcassonne. Der Ort ist eine typische "Bastide", eine befestigte Kleinstadt mit planmäßig angelegtem Rastergrundriss aus dem späten 13. Jahrhundert, wie es sie im Südwesten Frankreichs zu Hunderten gibt. Der rechteckige Marktplatz und die gotische Kathedrale sind umgeben von Fachwerkhäusern mit breiten hölzernen Erdgeschoss-Arkaden.
In Mirepoix treffen wir uns mit Gerard Roux und Paul Gleizes von "Maisons Paysannes de France" (MPF); auch heute sind einige interessierte Mitglieder dieser Organisation dabei, die uns auf der Exkursion begleiten werden. Gerard Roux hat ein interessantes Besichtigungsprogramm vorbereitet und Andrea Rosenstiel, die aus Donaueschingen stammt und in Frankreich lebt, wird uns seine Erläuterungen übersetzen. Bei einem Kaffee in Mirepoix lernen wir uns näher kennen und setzen den gestern begonnenen Austausch zwischen IgB und MPF fort.
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Im Café in Mirepoix: Gerard Roux erläutert uns das geplante Exkursionsprogramm des heutigen Tages |
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Die Maison des Consuls, das Haus der Konsuln am Marktplatz, hat eine hölzerne Erdgeschossarkade, deren Balkenköpfe mit über 100 phantasievoll geschnitzten Köpfen und Fratzen geschmückt sind. Dieses prächtige Schnitzwerk ist in die Zeit um 1500 zu datieren. |
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Hölzerne Erdgeschossarkade der Maison des Consuls. Insgesamt hat das Haus vier Arkaden mit fünf kräftigen Eichenholzstüzen. |
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Eingangsfront der Maison des Consuls, das Gebäude dient heute als Hotel. Im Spätmittelalter befanden sich hier vermutlich offene Kaufläden. |
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Alle Balkenköpfe sind mit individuellen Gesichtern, Fratzen und Grimassen geschmückt, dazwischen waren kleine hölzerne Dreipassarkaden eingefügt, die nur noch unvollständig erhalten sind. |
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Drei Fratzen im Detail |
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Fratzen über Fratzen... |
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Auf dem Marktplatz treffen wir Marlene und Lenny, zwei Wanderer, die mit Pferden die Pyrenäen erkunden wollen. |
Nach dem Rundgang durch Mirepoix fahren wir in die Berge und besuchen die funktionsfähige Wassermühle in L' Espine. Sie wurde 1791 als Privatmühle erbaut, nachdem die Französische Revolution das königliche Mühlenprivileg abgeschafft hatte.
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Der freundliche Müller Jean-Claude Marquis führt uns die Mühle vor. Sie wird durch ein horizontales Wasserrad mit stehender Achse angetrieben, das sich in einem Gewölbe tief unter dem Gebäude befindet. Mit dem Steinkran konnten die schweren Mühlsteine angehoben und gedreht werden, um sie mit dem Hammer zu "schärfen". |
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Staunende Besucher in der historischen Mühle |
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In der Mühle sind viele gesammelte alte Arbeitsgeräte zu sehen, hier metallene "Finger" für die Arbeit mit Sichte und Mahdhaken sowie alte Getreide-Hohlmaße und Waagen. |
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Der Rüttelschuh der Mühle hat einen geschnitzten Pferdekopf und wird "cheval" (Pferd) genannt - sein Geräusch erinnert auch sehr an Pferdegetrappel. |
"Le Cheval" in Action …
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Auch Schlitten- und Kuhglocken gehören zur Sammlung in der Mühle. |
Anschließend fahren wir weiter hinauf in die Pyrenäen und besuchen das liebevoll restaurierte Bergbauernhaus von Paul Garrigues – an einem steilen Abhang in 800 m Höhe. Dort gibt es einen leckeren Mittagsimbiss auf Einladung der MPF. Auch Paul hat eine landwirtschaftliche Gerätesammlung und ist ein Experte für das Mähen mit der Sense bzw. mit Sichte und Mahdhaken. Darüber kann er viel erzählen – einschließlich der zugehörigen Arbeitgesänge der Schnitter in Okzitanien.
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Das Haus von Paul Garrigues stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert und wurde samt angebauter Scheune mehrfach umgebaut und erweitert. |
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Mittagsimbiss mit anregenden Gesprächen - auf französisch, englisch und deutsch. |
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Paul erzählt Haio über das Mähen mit der Sense – und Andrea (Mitte) übersetzt. |
Paul demonstriert die Arbeit mit der Sense mit rhythmischem Gesang
Paul und Haio diskutieren über die Arbeit mit der Sense, Andrea übersetzt
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Anschließend überreicht er uns Kopien seiner Zeichnungen von Mühlen und Bauernhäusern. |
Wir fahren weiter und besuchen Montaillou, ein Bergdorf in den Pyrenäen, das durch das gleichnamige Buch des Historikers Emmanuel LeRoy Ladurie um 1985 Berühmtheit erlangt hat:
Die Bewohner des Dorfes - von einfachen Bauern und Hirten bis zum Pfarrer und einer örtlichen Adelsfamilie - gehörten noch im frühen 14. Jahrhundert mehrheitlich zur Religionsgemeinschaft der Katharer und wurden von der Inquisiton erbarmungslos als "Ketzer" verfolgt. Die im Vatikanarchiv erhaltenen Verhörprotokolle überliefern in einzigartiger Weise das Alltagsleben sowie die vielfältigen sozialen Beziehungen der Dorfbewohner - bis hin zu ihren Liebesaffären. Unfreiwillig überlieferten die Inquisitoren damit die persönliche Geschichte der einfachen Leute eines Dorfes - und LeRoy Laduries Buch über Montaillou wurde zu einem Meilenstein der Sozialgeschichte des Mittelalters.
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Gerard Roux erzählt uns die Geschichte der Katharer aus Montaillou, dem "Dorf vor dem Inquisitor". |
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Die Burg von Montaillou ist heute Ruine. Sie entstand nach der Verhaftung und Verurteilung der Katharer im Dorf und sollte die neu eroberten Gebiete des französischen Königs gegen Katalonien sichern. |
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Wilde Orchideen (Knabenkraut) an der Burg in Montaillou |
Weiter geht es durch die Pyrenäen, auf der kurvenreichen "Route de Corniche" mit spektakulären Ausblicken in die Hochgebirgslandschaft.
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An einem Aussichtspunkt genießen wir den weiten Blick ins Tal. |
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Die romanische Kirche in Axiat hat die Zeiten der Katharer erlebt und überstanden. |
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Chor und Querhaus sind aus Quellenkalk erbaut. |
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Romanisches Kapitell am Westportal der Kirche |
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Das Innere der Kirche wird nur von wenigen Fenstern erleuchtet. |
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Ein verlassenes Bauernhaus im Dorf |
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Berglandschaft der Pyrenäen |
(Texte: Heinrich, Fotos: Bernd)
Zum nächsten Tag –––>
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