27. Mai 2017

Höfe, Schlösser und Kirchen im Haspengau bei Lüttich

Haio und Erhard dokumentieren das freigelegte Grab der hl. Chrodoara in der Stiftskirche von Amay.
Der Haspengau, eine fruchtbare, intensiv landwirtschaftlich genutzte Ebene westlich von Lüttich, die "Kornkammer Belgiens" steht heute auf unserem Programm. Carlo will uns hier reiche Bauernhöfe, Adelssitze und Kirchen zeigen. Auch die Römer haben in dieser Region ihre Spuren hinterlassen: Wir sind auf einigen schnurgeraden, ehemaligen Römerstraßen unterwegs und in der Landschaft sind mehrere römische Grabhügel (tumuli) zu sehen.
Der Tag beginnt in Amay, das lebendige Städtchen entwickelte sich um das alte, bis in die Merowingerzeit zurückreichende Stift Saint-Georges et Sainte-Ode, dessen ab 1089 erbaute Kirche wir besuchen.

Blick auf die ab 1089 errichtete Stiftskirche in Amay Die seitlichen Westtürme stammen noch aus  der frühen, ottonischen Bauperiode.
Das Grab der hl. Chrodoara aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. wurde 1977 freigelegt und mit Glasplatten abgedeckt. Haio und Erhard dokumentieren den einzigartigen Befund.
Sarkophag der hl. Chodoara aus dem 6. Jahrhundert mit Namensinschrift (links), Reliefdarstellung der Toten und  vielfältigen Flechtbandornamenten.
Stiftskirche in Amay, Blick nach Westen. Die romanische Kirche wurde zwischen 1725 und 1774 barockisiert, d. h. mit reichen Stuckornamenten überzogen. Die heutige Orgel wurde 1866 erbaut.
Die freundliche Dame (2. von rechts) zeigt uns den wertvollen Oda-Schrein aus der Zeit um 1240-60 und andere Kostbarkeiten der Kirche. Dann ermöglicht sie uns einen Aufstieg ins Dachwerk der Kirche.
Das heutige Dachwerk über dem Kirchenschiff stammt aus der barocken Umbauphase im 18. Jahrhundert, doch blieben  die alten horizontalen "Zerrbalken" des romanischen Daches erhalten. Sie verlaufen über den Gewölben und zeigen Anblattungsspuren von jeweils zwei schrägen Sparrenstreben, die die Sparren des romanischen Daches (mit geringerer Neigung von ca. 35 Grad) abstützten.
Ein Blick in den Glockenstuhl im Turm. Auch in dieser Kirche werden die Glocken nicht mehr von Hand geläutet, sondern mit Elektromotoren in Schwingung versetzt.
In Amay ist Wochenmarkt - hier gibt es auch "Klamotten" zu kaufen - ein Händler präsentiert seine Hosen auf diesen kopf- bzw. oberkörperlosen Puppen. 
Ein weiteres Highlight in Amay ist der "Romanische Turm" aus dem 13. Jahrhundert als einziger Rest einer früheren Burganlage. 
Von Amay fahren wir weiter nach Haneffe. Hier gab es eine Kommende und mehre Höfe des Templerordens, der bekanntermaßen 1312 vom französischen König gewaltsam aufgelöst worden ist. Hier die angebliche Templerkapelle der früheren Niederlassung in Haneffe, der Bau wartet noch auf seine Restaurierung.
Die gotische Kirche von Haneffe mit umgebendem Friedhof
Gegen Mittag ist es schon um die 30 Grad warm. Wir genießen ein kühles Bier in dieser Kneipe in Haneffe,  der historische Gewölberaum aus dem 19. Jahrhundert diente angeblich als "prison" (Gefängnis).
In Waleffs sehen wir dieses feudale Schloss eines Landadeligen aus dem 18. Jahrhundert....
... das zugewachsene Tor gegenüber führt in einen früheren Park.
Torhaus zum Wirtschaftshof des Schlosses in Waleffs, erbaut 1696.
Dann dürfen wir diesen benachbarten Bauernhof besichtigen - wie viele Höfe im Haspengau ist er als geschlossener, massiver Vierseithof mit Tordurchfahrt angelegt. 
Blick durch die Tordurchfahrt nach draußen
In den Ställen stehen die Kühe - mit den Köpfen zur Wand - die linke ist kurz vor der Geburt eines Kalbes. 
Nach einer etwas längeren Mittagspause gehts im Schnelldurchlauf weiter: In Omal sehen wir fünf römische Grabhügel (tumuli) und einen adligen Gutshof, dessen Turm gerade restauriert wird.  Er wurde 1625 als "befestigter Taubenturm" (tour-colombier fortifiée) erbaut, in dem erhaltenen Giebel (oben rechts) sind Nistlöcher für die Tauben zu erkennen. 
Ausgiebig besichtigen wir das Dorf Warnant mit mehreren großen und reichen Vierseithöfen. Der freundliche Besitzer des Hofes an der Kirche (links) spricht englisch, zeigt uns gern seine Gebäude und gibt bereitwillig Auskunft zur Landwirtschaft im Haspengau. Carlo (rechts) hört interessiert zu. 
Ungewöhnlich ist das doppelte Hoftor zum Kirchplatz: Links das Torhaus zum Innenhof, mit Einfluglöchern für Tauben im Obergeschoss, das rechte Tor führt in die Scheune. Nach einem Inschriftstein wurde die Fassade 1806 erneuert.
Die große Scheune des Hofes besitzt ein hochinteressantes Innengerüst auf tragenden  Backsteinpfeilern von rundem und viereckigem Querschnitt. Das Gebäude ist ins 18. Jahrhundert zu datieren, die Backsteinfassade wurde laut Inschrift auf einem Stein 1806 erneuert.
Das hölzerne Dachgerüst über den gemauerten Pfeilern entspricht den Pfettendächern der Ardennen, die wir gestern gesehen haben, mit einer "abgefangenen Firstsäule" in der Mitte.
Innenhof der Vierseitanlage mit Wohnhaus (links) und Scheune (rechts).
Ein weiterer Vierseithof im Dorf ist überwiegend aus Bruchstein erbaut. Das Wohnhaus hat zum Teil noch seine originalen Steinkreuzfenster und wurde 1686 erbaut.
Wirtschaftsgebäude aus Bruchstein, die Hofanlage wird gerade renoviert.
Wir dürfen das Wohnhaus besichtigen, das noch nicht renoviert ist, viele Zimmer sind mit Kaminen beheizbar. 
In diesem Raum hat schon so manche Party stattgefunden.... 
Dachwerk des Wohnhauses mit Pfetten und Scherenbinder (17. Jahrhundert?)
Gartenansicht des Wohnhauses mit angebauterm Turm
Wohnhaus eines anderen Hofes in Warnant, erbaut 1766. Rechts das Torhaus zum Innenhof
Durch das Torhaus blicken wir in den geräumigen Innenhof. Vor der Scheune im Hintergrund ist ein achteckiges Göpelhaus zu erkennen, hier stand ein Göpel, ein Antriebsgetriebe für Maschinen, das von Tieren bewegt wurde, die im Kreis liefen. 
Unweit der Autobahn zwischen Huy und Lüttich liegt das Schloss von Huccorgne, das nicht zugänglich ist. Auch eine zugehörige Scheune des 16. Jahrhunderts können wir leider nicht besichtigen.
Letzter Zwischenstopp in der alten Stadt Huy an der Maas, westlich von Lüttich.
Vorbei am bedrohlich wirkenden Kernkraftwerk von Tihange, das wieder in Betrieb ist, fahren wir zurück zu unserem Quartier an der Autobahn in Lichtenbusch bei Raeren. 
Zum Abschied gibt es beim Italiener in Eynatten ein gemeinsames Abendessen mit Coen Eggen (2. von links), der noch einmal dazugekommen ist, und Carlo (rechts)...
... als angenehmer Ausklang eines über 30 Grad warmen Frühsommertages.
Im Hotel bedanken wir uns bei Carlo Jengember, der uns sieben Tage lang fachkundig begleitet hat, mit Hausforscher-Büchern. Unsere Reise ist schon fast wieder zu Ende - morgen (Sonntag) geht es zurück nach Hause.
Damit verabschiedet sich die Blogredaktion von "Hausforscher unterwegs" - Ortszeit 1 Uhr 46. Wie immer freuen wir uns über viele interessierte Leserinnen und Leser - und noch mehr freuen wir uns über Kommentare! Bis bald - wir sehen uns voraussichtlich schon am 19. Juni wieder, dann geht es noch einmal für ein paar Tage ins Baskenland. 
Fotos: Bernd Kunze, Texte: Heinrich Stiewe

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