24. Mai 2017

Ein Besuch in Lüttich (Liège)

Fachwerk in Lüttich: Die Maison Havart aus dem 16. Jahrhundert, zentral gelegen am Quai de la Goffe am Ufer der Maas.
Heute besuchen wir gemeinsam mit Carlo Jengember die wallonische Provinhauptstadt Lüttich (französisch: Liège) an der Maas. Wir unternehmen einen ausgiebigen Rundgang durch die Altstadt mit zahlreichen mittelalterlichen Kirchen sowie interessanten Bürgerhäusern und Museen.
Das Gebiet um Lüttich mit seinen Steinkohlenvorkommen gehört zu den am frühesten industrialisierten Regionen auf dem europäischen Festland, es entstanden Steinkohlenzechen und Stahlwerke. Heute hat Lüttich ähnlich wie das Ruhrgebiet mit den Folgen von Strukturwandel und Deeindustrialisierung zu kämpfen.
Die Maison Havart und weitere historische Häuser am Maasufer werden von einem riesigen Hochhaus der Stadtverwaltung aus den 1960er Jahre überragt.
Die Fleischhalle wurde 1546 von der Lütticher Beinhauergilde (Knochenhauer, Metzger) erbaut. Noch bis 1981 wurde hier Fleisch verkauft. Heute beherbergt das restaurierte Gebäude die Tourist-Information. 
Im Innern beeindruckt die Fleischhalle mit einem hochwertig verzimmerten offenen Dachgerüst von 1544-46.
Carlo erläutert uns die Topographie und Geschichte der Stadt Lüttich.
Altstadthäuser in Lüttich: Neben Fachwerkbauten des 16. Jahrhunderts stehen zahlreiche "Steinfachwerkbauten" des 17. und 18. Jahrhunderts, wie sie für die Maasregion typisch sind: Die Fassaden bestehen aus sorgfältig behauenen Werksteinelementen, die die Wände ähnlich wie Fachwerkhölzer gliedern.
Die rue du Carré ist die schmalste öffentlich zugängliche Straße in Lüttich. Die Gasse ist nur etwa 1 m breit. 
Auf dem Marktplatz steht der "Perron", eine Säule mit Kugel und Kreuz, in wallonischen Städten ein Zeichen der mittelalterlichen Stadtfreiheit.  In Lüttich ist der Perron mit einem achteckigen Unterbau und einem Brunnen kombiniert. 
Das "Hôtel de Soer de Solières" wurde 1555-61 als Patrizierpalast erbaut. Heute dient der Renaissancebau mit modernen Erweiterungen als Ausstellungsgebäude.
Gewagte Kombination von Alt und Neu mit Kunst am Bau: Hotel de Soer de Solières  (links) mit modernem Anbau und weiteren historischen Gebäuden. 
Die Kollegiatskirche St. Denis stammt in ihren ältesten Teilen (Westbau mit Turm) aus der ottonischen Epoche (10.-11 Jahrhundert) und wurde später umgebaut und erweitert.
Das Innere von St. Denis wurde im 18. Jahrhundert mit viel Stuck barockisiert.
Vielfältige Architektur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts am Quai de la Goffe. 
Blick auf die Maas (frz. Meuse) 
Die Kollegiatskirche Saint-Barthélemy aus dem 11. und 12. Jahrhundert ist der bedeutendste romanische Kirchenbau in Lüttich. Die rot-weiße Farbigkeit des romanischen Westbaus wurde vor Jahren rekonstruiert (vgl. Limburger Dom).
Auch diese Kirche wurde im 18. Jahrhundert barock umgestaltet, das dreischiffige Langhaus wurde zu einem fünfschiffigen Bau erweitert.
Absoluter Höhepunkt der Ausstattung von St. Barthélemy ist diese romanische Bronzetaufe aus dem frühen 12. Jahrhundert, ein Meisterwerk maasländischer Bronzegießerei. Sie wurde 1107-18 von Renier de Huy in einem Stück gegossen. Die Taufe wird von zehn Stieren oder Ochsen getragen und zeigt die Taufe Christi und andere Taufszenen. Ursprünglicher Standort war die um 1795 abgerissene Kathedrale St. Lambert.
1597 bis 1605 erbaute der Lütticher Waffenhändler und Heereslieferant Jean de Cortie (Curtius) am Ufer der Maas die "Maison Curtius", einen riesigen Palazzo im Stil der maasländischen Renaissance. Das mächtige Gebäude beherbergt seit 2009 das Museum "Grand Curtius".
Der Antoniushof ist ein Zeugnis der Stadtsanierung der späten 1970er Jahre: Erhaltene Gebäude des 17. und 18. Jahrhunderts wurden von dem Architekten Charles Vandenhove mit Neubauten im damals aktuellen Stil der "Postmoderne" kombiniert.
Bürgerhäuser am Boulevard Hors-Chateau, 1978-79 als Teil des "Antoniushofes" saniert.
Häuser in der Nachbarschaft des wallonischen Volkskundemuseums.
Das "Musée de la Vie wallone", das frühere wallonische Volkskundemuseum, befindet sich im früheren Kloster der Minderen Brüder (Franziskaner) und wurde 2008 restauriert und grundlegend neu gestaltet. Im Kreuzgang genießen wir eine Tasse Kaffee nach dem Museumsbesuch. 

In der profanierten Kirche des früheren Minoritenklosters mit aufwendiger Stuckausstattung wird aktuell eine Ausstellung zum Thema Fußball gezeigt, Jugendliche können in der Kirche kicken. Eine provozierende Konfrontation der vergötterten Fußballidole der Gegenwart mit dem historischen Kirchenraum, die uns zu mancherlei Diskussionen Anlass gibt. 
Nachdem die mittelalterliche Kathedrale St. Lambert in der französischen Revolution abgerissen worden war, wurde die Kollegiatskirche St. Paul im 19. Jahrhundert zur Kathedrale des Bistums Lüttich erhoben. Wir konnten sie nicht besichtigen, da sie zurzeit aufwendig restauriert wird.
Die letzte Kirche, die wir in Lüttich besuchen, ist die frühere Benediktiner-Klosterkirche Saint-Jaques, ein äußerst prachtvoller Bau der Spätgotik. 
Wir haben Glück: Mit einer Gruppe von Kindern, die sich auf ihre Erstkommunion vorbereiten, dürfen wir die Kirche noch nach 17 Uhr betreten und besichtigen.  
Das Mittelschiff hat überaus aufwendige Netzgewölbe, die farbig bemalt sind.
Ein Schnittmodell der Kirche zeigt eine dreischiffige Basilika mit hohem Mittelschiff und niedrigen Seitenschiffen. Die mittelalterlichen Dachwerke wurden im 20. Jahrhundert durch Eisenkonstruktionen verstärkt.
Bemaltes Netzgewölbe über der Vierung 
Brandmauer mit Bemalung an einem Abbruchgrundstück in der Nähe der Maas.
Blick auf Lüttich, die Stadt an der Maas.
Text: Heinrich, Fotos: Bernd

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